Ampel kann Haushaltsstreit nicht vor Kabinett lösen - Fronten verhärtet

Berlin (Reuters) - Die Ampel-Koalition hat ihren Haushaltsstreit nicht rechtzeitig vor dem Kabinett am Mittwoch lösen können. Damit gilt es mittlerweile als unwahrscheinlich, dass der umstrittene Etatentwurf für 2024 noch vor dem Jahresende vom Parlament beschlossen werden kann. Weitere Verhandlungen der Ampel-Spitzen sind Regierungskreisen zufolge für Mittwoch geplant. Insidern zufolge gab es zuletzt aber kaum Annäherungen.
"Der Haushalt wird heute nicht im Bundeskabinett beraten", sagte Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang dem Bayerischen Rundfunk. Dieses tagt am Mittwochvormittag turnusmäßig in Berlin. Laut Koalitionskreisen gab es bei den Gesprächen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bis Dienstagabend wenig Bewegung.
Im Kern geht der Streit um die Frage, ob die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wegen einer Notlage 2024 erneut und dann schon das fünfte Jahr in Folge ausgesetzt werden sollte. Dies wollen SPD und Grüne, die FDP lehnt es ab. Lang sagte, es werde "sehr, sehr bald" eine politische Entscheidung folgen. Die Ampel werde einen Kompromiss finden müssen und eine Staatskrise verhindern.
Lindner bekräftigte in der ARD: "Man kann die Notlage nicht zur Normalität erklären." Es gebe keine Argumente, die ihn überzeugen würden. Die Schuldenbremse war zunächst wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt, später wegen der zwischenzeitlich starken Energiepreissteigerungen als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Lindner bezeichnete die Verhandlungen über den Haushalt als konstruktiv. Es werde sehr zeitnah Vorschläge geben. Sollte dieses Jahr kein Budget für 2024 mehr verabschiedet werden, würde eine vorläufige Haushaltsführung greifen, die es auch nach Bundestagswahlen immer wieder gibt.
URTEIL MIT FOLGEN
Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte November ein weitreichendes Urteil gefällt. Mit diesem wurden 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds KTF gestrichen. Außerdem müssen andere Sondertöpfe auf eine neue Grundlage gestellt werden. Lindner beziffert den zusätzlichen Sparbedarf im Haushalt 2024 auf rund 17 Milliarden Euro. An anderer Stelle in der Koalition ist von noch deutlich höheren Summen die Rede, weswegen SPD und Grüne die Schuldenbremse zugunsten verstärkter Investitionen erneut aussetzen wollen.
Die Grünen fordern ein neues Sondervermögen für Investitionen in den Klimaschutz. Den Vorschlag, die Kosten der Klimapolitik in einen verfassungsrechtlich abgesicherten Transformations- und Infrastrukturfonds auszulagern, ähnlich dem Sondervermögen der Bundeswehr, lehne er ab, sagte Lindner aber dem Bayerischen Rundfunk. Er warnte davor, immer neue Schulden zu machen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Das belaste die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Deshalb müsse sich auch die Klimapolitik im Rahmen der Schuldenbremse bewegen.
Die FDP will vor allem im Sozialbereich - dem größten Posten im Bundeshaushalt - sparen. Das gilt aber kurz vor dem SPD-Parteitag als kaum durchsetzbar. Deswegen nehmen angesichts der deutlichen Anhebung des Regelsatzes beim Bürgergeld im Jahr 2024 führende FDP-Politiker nun 2025 ins Visier. "Wenn das Bürgergeld 2024 stärker ansteigt als die Inflation, muss es im Jahr darauf eine Nullrunde geben", sagte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, zu "Bild". "Rechtlich ist das auch möglich. Alles andere wäre ein falsches Signal."
(Bericht von Christian Krämer und Andreas Rinke, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)