ROUNDUP: DGB fordert Tarifwende - Für neue Mindestlohn-Verhandlungen

dpa-AFX · Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat Bundesregierung und Arbeitgeber aufgefordert, den seit Jahren anhaltenden Trend sinkender Tarifbindung in Deutschland umzukehren. "Das Land braucht eine Tarifwende", sagte DGB-Chefin Yasmin Fahimi am Mittwoch in Berlin. Nur rund die Hälfte der Beschäftigten fielen heute noch unter den Schutz von Tarifverträgen. Dabei seien die Tarifverträge so flexibel, wie die Arbeitswelt divers sei.

Sie erinnerte an das im Koalitionsvertrag versprochene Bundestariftreuegesetz. Die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes soll damit an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte das Gesetz schon mehrfach angekündigt. So hatte der SPD-Politiker etwa im April 2023 gesagt, wenn alles gut laufe, solle es zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Fahimi warf Arbeitgebern und FDP Blockade vor. Forderungen, nach denen das Bundestariftreuegesetz nur ab einem Auftragswert von 50 000 Euro gelten solle, torpedierten das Vorhaben. "Ich erwarte, dass das Gesetz noch im ersten Quartal dieses Jahres in voller Wirksamkeit verabschiedet wird."

437 000 Neueintritte beim DGB

Die eigene Organisation sieht die DGB-Chefin im Aufwind. Die Zahl der Neueintritte in eine der acht DGB-Gewerkschaften habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent auf 437 000 erhöht. Die Zahl der Mitglieder insgesamt stieg leicht von rund 5,64 Millionen auf knapp 5,67 Millionen. Im Jahr 2000 waren es noch 5,85 Millionen.

Scharf griff der DGB Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an. "Er ist mittlerweile das größte Standortrisiko für unser Land geworden", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Fahimi bekräftigte die Forderung, die Schuldenbremse 2024 auszusetzen. Vor allem auf Betreiben Lindners hin soll der Haushalt des Bundes, der in der laufenden Woche im Bundestag abschließend beraten wird, die Schuldenbremse einhalten. Fahimi kritisierte, die Politik mache sich mit dieser "Investitionsbremse" handlungsunfähig.

FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer erwiderte: "Der persönliche Angriff des DGB auf den Finanzminister befeuert nur eine destruktive Spaltung und hilft in der gesamtgesellschaftlichen Debatte nicht weiter." Dem DGB fehle Verständnis für solide Staatshaushalte und Generationengerechtigkeit.

DGB fordert neuen Anlauf beim Mindestlohn

Körzell, der für den DGB in der Mindestlohnkommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften sitzt, forderte einen neuen Anlauf für eine höhere Lohnuntergrenze. "Ich fordere die Arbeitgeber in der Mindestlohnkommission auf, gemeinsam mit uns im ersten Halbjahr dieses Jahres einen neuen Vorschlag zur Erhöhung des Mindestlohns vorzulegen", sagte er. Das Ziel sollten 60 Prozent des mittleren Einkommens von Vollzeitbeschäftigten sein. Dies seien derzeit rund 14 Euro.

Seit 1. Januar gilt ein Mindestlohn von 12,41 Euro brutto pro Stunde. Anfang 2025 soll er auf 12,82 Euro steigen. Der Beschluss geht zwar auf eine Empfehlung der Mindestlohnkommission zurück. Doch hatten die Arbeitnehmervertreter die Anhebung bereits damals für zu niedrig gehalten und waren überstimmt worden.

DGB für Trendwende bei Bildung

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack forderte eine Trendwende hin zu deutlich mehr Geld für die Bildung. Sie beklagte "marode Gebäude, zu wenig Lehr- sowie Kita-Personal und letztlich immer wieder dürftige Plätze in Bildungsrankings". DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel lobte die Ampelkoalition dafür, viele vor den Folgen der Energiekrise geschützt zu haben. Nun müsse sie die Kindergrundsicherung umsetzen./bw/DP/nas

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