Ifo erwartet mehr Wachstum - "Aber kein Sommermärchen"

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Berlin (Reuters) - Das Ifo-Institut hat seine Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr verdoppelt.

Das Bruttoinlandsprodukt dürfte um 0,4 Prozent zulegen statt der im März erwarteten 0,2 Prozent, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Konjunkturprognose der Münchner Forscher. Für das kommende Jahr wird nach wie vor mit einer Beschleunigung auf 1,5 Prozent gerechnet. "Im Fußball läuft es mittlerweile rund bei uns, in der Wirtschaft ist es leider noch nicht so", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser angesichts der beiden Siege der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft. "Wir arbeiten uns langsam aus der Krise heraus. Die Betonung liegt auf langsam."

Das noch bis 14. Juli laufende EM-Turnier dürfte der Konjunktur keine großen Impulse verleihen. Zwar dürfte die Wirtschaft im laufenden zweiten Quartal mit 0,3 Prozent etwas schneller wachsen als in den ersten drei Monaten mit 0,2 Prozent. Doch dürften die privaten Konsumausgaben nur stagnieren. "Daran wird auch die Fußball-EM nichts ändern", sagte Wollmershäuser. "Sie wird der deutschen Konjunktur kein Sommermärchen bescheren." Gastgewerbe und Lebensmittel-Einzelhandel könnten zwar kurzfristig profitieren, dafür werde aber an anderer Stelle gespart. Impulse kämen zwar von den vielen ausländischen Fußballfans. "Aber das ist natürlich kurzlebig", sagte der Konjunkturchef.

Ifo-Präsident Clemens Fuest hält vor allem die sinkenden Unternehmensinvestitionen für problematisch. "Die sind auch mittelfristig ein Problem", sagte er. Deutschlands Wachstumsperspektiven würden durch den demografischen Wandel sinken. Das Wachstum müsse daher eigentlich aus mehr Investitionen kommen. Zugleich seien durch den Strukturwandel und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft enorme Gelder erforderlich. Die Bundesregierung müsse die Bürokratielasten senken und ihren Schwerpunkt mehr auf investive Ausgaben legen.

Der Ifo-Prognose zufolge dürfte die Inflation abflauen. Stiegen die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr noch um 5,9 Prozent, so sollen sie im laufenden Jahr nur noch um 2,2 Prozent zulegen und im kommenden um 1,7 Prozent. "Im weiteren Verlauf des Jahres dürfte die Kaufkraft der privaten Haushalte weiter an Stärke gewinnen und die gesamtwirtschaftliche Erholung im Zuge der Normalisierung der Konsumkonjunktur an Tempo gewinnen", sagte Wollmershäuser.

STAATSDEFIZIT DÜRFTE SINKEN

Der weltweite Handel mit Waren und die globale Industrieproduktion dürften sich insbesondere ab der zweiten Jahreshälfte weiter erholen. Dazu soll auch eine allmähliche Belebung der Investitionen beitragen, die von der Lockerung der Geldpolitik in den Industrieländern unterstützt werde. Das Ifo-Institut rechnet mit zwei weiteren Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank im laufenden Jahr, nachdem die EZB im Juni ihren Leitzins erstmals seit 2019 gesenkt hatte - von 4,50 auf 4,25 Prozent.

Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte von 45,9 auf 46,1 Millionen in diesem Jahr steigen, 2025 dann sogar 46,2 Millionen erreichen. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt der Prognose zufolge zunächst von 2,6 auf 2,7 Millionen zu, um dann wieder auf 2,6 Millionen zu sinken. Das Staatsdefizit dürfte von 99 Milliarden Euro auf 73 Milliarden sinken, um dann im kommenden Jahr weiter zurückzugehen auf nur noch 54 Milliarden Euro, so das Ifo-Institut.

Der international kritisierte Überschuss der Leistungsbilanz dürfte im laufenden Jahr auf 312 Milliarden anwachsen und 2025 dann 306 Milliarden Euro betragen. Das wären zunächst 7,3 und dann 7,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die EU-Kommission hat diese Überschüsse gerade erst kritisiert. "In Deutschland bestehen weiterhin Ungleichgewichte", hieß es. Die schwächelnde Inlandsnachfrage und fehlende Investitionen würden zu hohen Leistungsbilanzüberschüssen beitragen. Diese speisen sich vor allem aus hohen Exportüberschüssen und dürften in diesem und im kommenden Jahr weiter steigen. "In Anbetracht der Größe der deutschen Wirtschaft und ihrer Handelsverflechtung mit dem Euroraum hat dies negative Auswirkungen auf den Rest des Euroraums", hieß es dazu aus Brüssel. Ländern mit hohen Überschüssen stehen andere mit enormen Defiziten gegenüber, die dafür Schulden machen müssen.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr. - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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