G20 sollen nicht wieder über Bewertung von Kriegen streiten

Berlin/Rio de Janeiro (Reuters) - Die Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) werden bei ihrem Treffen in dieser Woche wichtige Streitpunkte ausklammern.
Momentan werde in den letzten Zügen an einem Abschlussdokument gearbeitet, das sich allein auf Finanzthemen konzentrieren werde, hieß es in deutschen Regierungskreisen am Dienstag. Die unterschiedlichen Bewertungen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und zum Nahost-Konflikt würden ausgeklammert. Sie sollten lediglich in einem Überblickspapier der brasilianischen Gastgeber zusammengefasst werden. Die unterschiedlichen Bewertungen der Konflikte und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hatten die jüngsten G20-Treffen immer wieder überschattet.
Der G20 gehört unter anderem Russland an, das im Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert ist. China ist ebenfalls Mitglied und gilt als Russland nahestehend. So hatten die Regierungen in Moskau und Peking nur wenige Tage vor Beginn der russischen Invasion eine "grenzenlose Partnerschaft" vereinbart. Und Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wurde von westlichen Staaten vorgeworfen, nicht eindeutig Position gegen Russland und seinen Angriffskrieg bezogen zu haben.
Die G20-Finanzminister treffen sich am Donnerstag und Freitag in Rio de Janeiro. Bundesfinanzminister Christian Lindner wird nicht vor Ort sein und von Staatssekretär Heiko Thoms vertreten.
In einem Reuters vorliegenden Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, die Weltwirtschaft profitiere von geringeren Inflationsraten und schlage sich besser als erwartet. Als ein Risiko werden unspezifisch "Kriege und eskalierende Konflikte" genannt. Insgesamt gebe es viele Herausforderungen. Die wirtschaftliche Erholung falle sehr unterschiedlich von Staat zu Staat aus. "Wir sind weiterhin besorgt, weil mittel- und langfristig die Wachstumsaussichten unter dem historischen Schnitt liegen."
MINDESTSTEUER FÜR MILLIARDÄRE?
Umstritten werden den deutschen Regierungskreisen zufolge auch die Pläne des diesjährigen G20-Vorsitzenden Brasilien bleiben, eine globale Mindeststeuer für Milliardäre einzuführen. Hierzu werde es in Rio keine konkreten Beratungen geben. Die Pläne seien "nicht im Ansatz konsensfähig", so ein deutscher Regierungsvertreter.
Superreiche Personen sollen nach Vorstellung Brasiliens künftig - ähnlich wie größere Unternehmen - eine Mindeststeuer zahlen müssen. Eine der Prioritäten des südamerikanischen Landes ist nach eigener Auskunft die immense Ungleichheit auf der Welt zu verringern. Einer Studie zufolge könnte eine Mindeststeuer für Milliardäre jährlich 250 Milliarden Dollar einsammeln. Die 2700 Milliardäre auf der Welt besitzen ein Vermögen von zusammen fast 13 Billionen Dollar. Als Unterstützer der brasilianischen Steuerpläne gelten unter anderem Frankreich und Spanien sowie Kolumbien und Südafrika.
Im Fokus sind auch Bemühungen, die erste Säule der geplanten globalen Steuerreform zu finalisieren. Dabei sollen Schwellenländer einen größeren Teil der Steuereinnahmen von den größten und profitabelsten Konzernen der Welt abbekommen, meist Digitalfirmen aus den USA. Sollte hier keine Einigung gelingen, droht ein Flickenteppich aus nationalen Digitalsteuern, was die USA verhindern wollen. In einem EU-Dokument für das G20-Treffen heißt es, der Abschluss der internationalen Steuerfragen müsse oberste Priorität haben. Zuletzt führte Kanada als achter Staat eine Digitalsteuer ein.
(Bericht von Christian Krämer, Marcela Ayres, Bernardo Caram und David Lawder, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)