Haushaltsstreit der Ampel bricht wieder auf

Berlin (Reuters) - Über die Finanzierung des Bundeshaushalts 2025 ist in der Ampel-Koalition neuer Streit entbrannt.
SPD und Grüne kritisierten am Freitag die Absage von Finanzminister Christian Lindner (FPD) an Überlegungen in der Koalition, wie die Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro ohne weitere Einschnitte gesenkt werden könnte. Dessen Ministerium hatte am Donnerstag das Kanzleramt und das Wirtschaftsministerium informiert, dass eine Umwandlung von Zuschüssen an Deutsche Bahn und Autobahngesellschaft in Darlehen sowie Milliarden-Restmittel der KfW aus der Gaspreisbremse keine Option seien, die Lücke zu verringern. Stattdessen brachte das Ministerium erneut geringere Sozialausgaben ins Spiel.
SPD-Co-Parteichefin Saskia Esken warf Lindner vor, sein Verhalten überschreite "die Grenzen des Erträglichen", indem "immer wieder auf diese Art und Weise geschlossene Kompromisse aufgekündigt und aufgeknüpft werden". Sie finde die Bewertung der Gutachten zu möglichen Optionen durch Lindner sehr eigenwillig, sagte Esken zu Welt-TV. Dort werde auch klar davon gesprochen, "wie die Kniffe eben auch umgesetzt werden können mit der Bahn, mit der Autobahngesellschaft". Kürzungen im Sozialbereich seien mit der SPD nicht verhandelbar.
"In den vergangenen Stunden hat es im Zusammenhang mit der abschließenden Vorlage des Haushaltsgesetzes eine ungewöhnliche Kommunikation durch das Bundesfinanzministerium und den Finanzminister gegeben", sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der "Süddeutschen Zeitung". Es sei unverantwortlich, wenn ein Teil der Bundesregierung die alleinige Verantwortung für die Haushaltsaufstellung an das Parlament delegiere: "Ich erwarte daher, dass die Regierung beim neuen Haushalt zu einer kompetenten und einvernehmlichen Entscheidung kommt."
Grünen-Vizefraktionschef Andreas Audretsch warf Lindner eine "Kopf-in-den-Sand-Politik" vor. "Ein Finanzminister kann nicht nur Vorschläge verwerfen, er muss Lösungen entwickeln", forderte Audretsch. Dafür sei rechtlich und finanzpolitisch ausreichend Spielraum: "Klar ist, eine Lösung darf weder auf Kosten des sozialen Zusammenhalts noch auf Kosten des Klimaschutzes gehen."
SUCHE NACH FINANZIERUNG VON VIER BIS FÜNF MILLIARDEN EURO
Die Option einer Aussetzung der Schuldenbremse besteht aus Sicht des Finanzministeriums "verfassungsrechtlich und ökonomisch nicht", wie das Haus verlauten ließ. Ein Teil der 17-Milliarden-Lücke könne allerdings verringert werden, wenn Zuschüsse an die Bahn in eine Eigenkapitalspritze von bis zu 3,6 Milliarden Euro umgewandelt würden. Das würde als finanzielle Transaktion gelten, die der Bund aus neuen Schulden finanzieren könnte, die nicht unter den Deckel der Schuldenbremse fallen würden. Demnach läge die Lücke noch bei 13,4 Milliarden Euro.
Somit müsste die Koalition noch vier bis fünf Milliarden Euro streichen oder finanzieren, um den Fehlbetrag auf acht bis neun Milliarden Euro zu verringern. Dieses Ziel hatte das Finanzministerium ausgegeben. Das entspreche einem Fehlbetrag von weniger als zwei Prozent des Gesamtvolumens des Haushalts und läge damit im Rahmen früherer Haushalte. Auch vergangene Regierungen hatten darauf gesetzt, dass anfangs bestehende Lücken im Haushaltsvollzug dadurch geschlossen werden können, dass manche geplante Ausgaben in einem Jahr gar nicht abfließen.
Aus dem Finanzministerium hieß es, es seien nun "weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig". Die Bundesregierung hatte zugesagt, dass der Entwurf für den Bundeshaushalt bis zum 16. August dem Bundestag zugeleitet wird. Das sollte auch für den Wirtschaftsplan gelten, der die detaillierten Einnahmen und Ausgaben im Klima- und Transformationsfonds (KTF) regelt. Auch über diesen Entwurf wird in der Regierung noch beraten.
(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)