US-Arbeitsmarkt kühlt ab - Angst vor Abschwung

- von Lucia Mutikani
Washington/Berlin (Reuters) - Der lange Zeit boomende US-Arbeitsmarkt kühlt sich merklich ab und verstärkt die Sorgen vor einem Abschwung.
Im Juli kamen nur 114.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Arbeitsmarktbericht der Regierung hervorgeht. Von Reuters befragte Volkswirte hatten mit 175.000 gerechnet, nach abwärts revidiert 179.000 im Vormonat. Überrascht wurden sie auch von der im Juli auf 4,3 Prozent gestiegenen Arbeitslosenquote. Notenbank-Chef Jerome Powell hat den Arbeitsmarkt jüngst als weiterhin stark, aber nicht überhitzt bezeichnet. Der Offenmarktausschuss (FOMC) der Federal Reserve beließ den Leitzins zuletzt in der Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent und öffnete zugleich die Tür für eine Senkung, die an den Finanzmärkten für September erwartet wird.
Investoren fürchten, dass die Notenbanker zu stark auf die Bremse getreten haben könnten. "Jetzt, da die Daten vorliegen, werden sie im September wahrscheinlich tun, was sie tun müssen. Aber der September ist für den Markt, der in Panik gerät, im Moment noch eine Ewigkeit entfernt", sagte Wasif Latif, Investmentexperte von Sarmaya Partners. Die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung schickte die Wall Street zum Wochenschluss auf Talfahrt.
Dabei hatte die US-Wirtschaft im Frühjahr noch viele Experten mit ihrer Widerstandskraft erstaunt. Trotz der Hochzinspolitik verdoppelte sie ihr Wachstumstempo glatt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte zwischen April und Juni aufs Jahr hochgerechnet um 2,8 Prozent zu, nach plus 1,4 Prozent zu Jahresbeginn. Die Wirtschaft ist laut der Fed zuletzt jedoch nur mäßig gewachsen.
FOKUS AUF LOHNWACHSTUM
Die Abkühlung des Arbeitsmarkts gilt der Notenbank als eine wichtige Voraussetzung, um ihr Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation dauerhaft zu erreichen. Die Währungshüter beobachten dabei das Lohnwachstum: Im Vorjahresvergleich fiel der Anstieg im Juli mit 3,6 Prozent niedriger aus als im Juni mit damals 3,8 Prozent. Experten hatten einen Wert von 3,7 Prozent auf dem Zettel. Und zum Vormonat ergab sich im Juli ein Plus von lediglich 0,2 Prozent, nach 0,3 Prozent im Juni. "Der Fed kommt es entgegen, dass der Arbeitsmarkt als Inflationstreiber an Kraft verliert", so das Fazit von Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: "Ganz oben auf der Agenda der nächsten Fed-Sitzung im September steht eine Leitzinssenkung."
Auch NordLB-Analyst Tobias Basse sieht die Zentralbank auf eine Zinssenkung im September zusteuern, die nach den aktuellen Zahlen vom Jobmarkt noch wahrscheinlicher geworden sei: "In jedem Fall passen die heutigen Daten sehr gut zu den ziemlich offensiven Signalen, die der Notenbankchef Jerome Powell jüngst anlässlich der Pressekonferenz nach der FOMC-Sitzung ausgesendet hat."
ZEICHEN STEHEN AUF ZINSWENDE
Dieser hatte nach dem jüngsten Zinsbeschluss mitgeteilt, dass eine geldpolitische Lockerung bereits ein Thema gewesen sei, auch wenn man sich dagegen entschieden habe. Hätte die US-Notenbank schon auf ihrer Sitzung am Mittwoch Kenntnis vom Arbeitsmarktbericht gehabt, wäre das Pendel sicherlich schon in Richtung Leitzinssenkung ausgeschlagen, meinen die Ökonomen Dirk Chlench und Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg. So erscheine nun eine Zinswende auf der Sitzung am 18. September "als in Stein gemeißelt". Die Frage sei lediglich noch, wie stark diese ausfallen werde.
Neben einem normalen Zinsschritt nach unten von einem Viertel Prozentpunkt könnte die Fed Spekulationen zufolge auch einen größeren im Umfang von einem halben Prozentpunkt wagen. Powell hatte dazu gesagt, eine erste Zinssenkung um 50 Basispunkte sei "nichts, worüber wir derzeit nachdenken".
(Bericht vom Reuters-Büro Washington; Geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Rene Wagner, Zuzanna Szymańska und Anika Ross, redigiert von Jörn Poltz.Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)