Angeschlagene Meyer Werft soll verstaatlicht werden

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- von Andreas Rinke und Erol Dogrudogan und Klaus Lauer

Papenburg/Berlin (Reuters) - Der Bund und das Land Niedersachsen wollen die angeschlagene Meyer Werft retten und dafür vorübergehend die Mehrheit an dem Traditionskonzern aus Papenburg übernehmen.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte dem weltgrößten Kreuzfahrtschiffbauer am Donnerstag die Rettung durch den Staat zu. "Wir lassen die Meyer Werft nicht allein. Wenn alle mitziehen - und daran habe ich keinen Zweifel - dann trägt der Bund seinen Teil zur Lösung bei", sagte der SPD-Politiker auf einer Betriebsversammlung in Papenburg. "Und ich habe die klare Erwartung, dass alle anderen Beteiligten mitziehen." Bis Mitte September soll die Einigung in trockenen Tüchern sein.

Noch fehlten die Zustimmung des Bundestages und der EU-Kommission, sagte der Kanzler. Auch im Gespräch mit den Banken seien letzte Details zu klären, erklärte die Geschäftsführung. Die Werft mit ihren 3000 Mitarbeitern sei ein "industrielles Kronjuwel" und "systemrelevant" für die maritime Wirtschaft in Deutschland, sagte Scholz. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass die EU-Kommission den Staatshilfen zustimmt. Einschließlich Zulieferern und Dienstleistern hingen daran 17.000 Arbeitsplätze. "Ich bin sicher: Es geht weiter mit der Meyer Werft hier in Papenburg. Meine Unterstützung habt ihr."

Bund und Land wollen nach Angaben des maritimen Koordinators der Bundesregierung, Dieter Janecek (Grüne), 400 Millionen Euro Eigenkapital zuschießen und Bankkredite mit Bürgschaften absichern. Damit übernimmt der Staat mindestens 80 Prozent an der Meyer Werft. "Noch sind wir aber nicht über der Ziellinie", sagte Janecek der "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). In den nächsten Wochen werde es noch mal "ins Eingemachte gehen". Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte in Köln, Lösungen seien "in greifbare Nähe gekommen".

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnte vor vorschnellem Jubel. "Der Ball ist noch nicht im Tor", sagte der SPD-Politiker bei der Betriebsversammlung. Scholz' Besuch sei aber ein Durchbruch. Meyer habe eine starke Zukunft. "Ich habe kein schlechtes Gewissen, ein solches Unternehmen zu retten", sagte Weil. Beide Politiker verdeutlichten aber, dass der Staat auf absehbare Zeit wieder aussteigen wolle. "Wir sind keine Schiffbauer", sagte Scholz nach der Betriebsversammlung. Vorbild könne die Rettung der Lufthansa sein, die der Staat nach überstandener Krise mit Gewinn rasch wieder verkauft hatte.

Die Kapitalspritze ist die Voraussetzung dafür, dass die Meyer Werft mehr als zwei Milliarden Euro an Krediten von den Banken bekommt. Das Geld braucht sie, um die bestellten Schiffe zu bauen. Die Familie Meyer soll ein Vorkaufsrecht erhalten, wenn sich die öffentliche Hand in drei bis vier Jahren wieder zurückzieht. Weil betonte, es gehe darum, dass die Meyer Werft dann "unter privater Regie wieder an alte Erfolge anknüpfen" könne.

CORONA UND STAHLPREISE WURDEN MEYER ZUM VERHÄNGNIS

Die Auftragsbücher der Werft sind in den vergangenen Monaten auf elf Milliarden Euro angeschwollen. Erst vor kurzem hatte der US-Unterhaltungskonzern Disney vier Schiffe bestellt. Die Luxusdampfer, von denen zwei pro Jahr vom Stapel laufen sollen, kosten mindestens 1,5 Milliarden Euro. Die Kunden zahlen in der Regel 20 Prozent an, der Rest wird erst bei der Übergabe fällig. Die Werft muss also die Baukosten vorfinanzieren, normalerweise aus den Anzahlungen. Meyer waren aber die Corona-Jahre zum Verhängnis geworden, in denen es kaum noch Neuaufträge gab. Auch der starke Anstieg der Stahlpreise belastete das Geschäft, weil Meyer in den Verträgen keine Preisanpassungsklauseln vereinbart hatte. Mit dem frischen Kapital müssen auch Verluste aus der Vergangenheit gedeckt und die Sanierung finanziert werden.

"Die jetzt gefundene Lösung ist zwar für die Familie nicht einfach, aber wir haben immer gesagt, dass die Belange des Unternehmens über denen der Familie stehen", erklärte Gesellschafter Bernard Meyer, der sich mit Scholz und Weil zu einem vertraulichen Gespräch getroffen hatte. "Als dann zweitgrößter Gesellschafter nach der öffentlichen Hand und über die Mitwirkung im Aufsichtsrat werden wir die Weiterentwicklung der Werft konstruktiv unterstützen."

Die IG Metall sprach von einer riesigen Chance auf einen Neuanfang. "Durch den geplanten Einstieg von Bund und Land werden nicht nur die Standorte Papenburg und Rostock gerettet, sondern wichtige Teile des Schiffbaus in ganz Deutschland", sagte der Bezirksleiter Küste, Daniel Friedrich. Die Politik hatte die Einführung eines mitbestimmten Aufsichtsrats und die Rückverlagerung der Holding von Luxemburg nach Deutschland zur Bedingung für Hilfen gemacht. Die Gewerkschaft setze darauf, dass der Schulterschluss von Unternehmen, Betriebsrat und Politik bestehen bleibe und die Zukunft der Werft sichere, sagte Thomas Geldervon der IG Metall Leer-Papenburg.

(Mitarbeit von Christian Krämer, Petra Wischgoll; Geschrieben von Alexander Hübner; redigiert von Kerstin Dörr und Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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