Insider - Mehr und mehr EZB-Vertreter für Zinssenkung im September

- von Balazs Koranyi
Jackson Hole (Reuters) - Eine wachsende Zahl von Währungshütern der Europäischen Zentralbank (EZB) befürwortet Insidern zufolge eine zweite Zinssenkung im September.
Nur große Überraschungen bei den anstehenden Wirtschaftsdaten in den kommenden Wochen können diesen Schritt noch hinauszögern, wie aus Gesprächen der Nachrichtenagentur Reuters mit mehreren Währungshütern hervorging, die anonym bleiben wollten. Finnlands Notenbankchef Olli Rehn hatte vor einigen Tagen bereits für eine Zinssenkung im September plädiert.
Die EZB hat Anfang Juni erstmals seit 2019 wieder die Zinsen gesenkt. Auf ihrer Sitzung im Juli hielten die Währungshüter aber die Füße still. Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung auf der EZB-Sitzung am 12. September mittlerweile auf mehr als 98 Prozent taxiert. Nach dem Juni-Schritt, die von einigen Notenbankern als verfrüht angesehen wurde, verhielt sich die EZB zuletzt vorsichtiger und gab zur September-Sitzung nur wenige Hinweise. Angesichts der jüngsten Zahlen zu Wachstum, Löhnen und Preisentwicklung im Euroraum beginnen viele Währungshüter jedoch, eine klarere Haltung einzunehmen und ihre Positionen darzulegen, wie aus den Gesprächen hervorging.
Ihre Argumente: Die Bedingungen für eine weitere Senkung der Schlüsselsätze im September seien erfüllt. Der Preisdruck lasse nach, das Wirtschaftswachstum der Euro-Zone bleibe hinter den Erwartungen zurück und das Wachstum der Tariflöhne schwäche sich ab. Zudem gebe es Signale aus der US-Notenbank, dass sich auch in den USA die Geldpolitik in Richtung Zinssenkung bewege. Und das erleichtere der EZB die Arbeit.
"Wir sind weitgehend dort, wo wir sein wollen", sagte Lettlands Notenbankchef Martins Kazaks im Reuters-Interview auf die Frage nach einer Senkung im September: "Unsere Prognosen vom Juni gingen von zwei weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr aus und im Moment sehe ich keinen Grund, warum wir nicht dabei bleiben sollten." Die anderen Währungshüter, die anonym bleiben wollten, sagten, dass sich ausgehend von informellen Diskussionen eine breite Unterstützung für den Schritt abzeichne. Allerdings wollten die meisten erst noch weitere Daten abwarten, bevor sie ihre Positionen endgültig festlegen würden. Die EZB lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab. Den Insidern zufolge haben offizielle Diskussionen noch nicht begonnen.
DEBATTE ÜBER OKTOBER
Obwohl die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft zuletzt im Juli leicht gestiegen ist, wachsen die Löhne mittlerweile nicht mehr ganz so kräftig, wie Zahlen zum zweiten Quartal am Donnerstag zeigten. Zudem fangen die Unternehmensgewinne einen Teil der Lohnzuwächse auf, so dass der zugrundeliegende Preisdruck nachlässt. Die Zinsen werden zudem hoch genug bleiben, um das Wachstum zu bremsen, wie die Insider meinen. Mit einer Zinssenkung werde daher lediglich das Bremspedal nicht mehr so stark durchgedrückt. Zudem ging aus den Gesprächen hervor, dass sich die Währungshüter zunehmend um das Wachstum im Euroraum Sorgen machen. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft in der Währungsunion, lässt eine Erholung auf sich warten.
"Wir müssen sicherstellen, dass wir das Wachstum nicht mehr als nötig zurückhalten, denn eine sanfte Landung ist alles andere als sicher", sagte einer der Insider. Alle waren sich allerdings einig, dass die EZB eine Rückkehr der Inflation zur Notenbank-Zielmarke von 2,0 Prozent nicht noch weiter hinausschieben könne. Die EZB geht derzeit davon aus, ihr Inflationsziel gegen Ende des Jahres 2025 zu erreichen. Es bestehe kein Interesse daran, diese Prognose bis ins Jahr 2026 hinein zu verschieben, hieß es.
(Bearbeitet von Frank Siebelt,; redigiert von Reinhard Becker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)