Mehrere EZB-Währungshüter für weitere Zinssenkungen
Paris/Lissabon/Wien (Reuters) - Mehrere Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) haben einen Tag nach dem jüngsten Lockerungsbeschluss weitere Zinssenkungen in Aussicht gestellt.
Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau, sein spanischer EZB-Ratskollege Jose Luis Escriva sowie Portugals Notenbankchef Mario Centeno rechnen alle mit weiteren Schritten nach unten im kommenden Jahr, wie sie am Freitag in öffentlichen Auftritten sagten. Auch Luxemburgs Notenbankchef Gaston Reinesch und sein Kollege aus Österreich, Robert Holzmann, stimmten in den Kanon ein.
Die EZB senkte am Donnerstag aufgrund trüber Konjunkturaussichten und abnehmender Inflationssorgen zum vierten Mal in diesem Jahr den Leitzins. Die Währungshüter beschlossen, den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagensatz, zu dem Geldhäuser bei der Notenbank überschüssiges Geld parken können, um einen Viertelpunkt auf 3,00 von 3,25 Prozent zu senken. Dieser Zins gilt inzwischen als Leitzins für die 20-Ländergemeinschaft.
Villeroy geht davon aus, dass die EZB 2025 ihren Zinssenkungskurs fortsetzen wird. Mit den Börsenerwartungen hinsichtlich des künftigen Zinsniveaus zeigte sich der Franzose einverstanden, wie er dem Wirtschaftsradiosender BFM sagte. "Ich stelle fest, dass wir gemeinsam mit den Zinsprognosen der Finanzmärkte für das nächste Jahr recht zufrieden sind", sagte er. Dort wird erwartet, dass der Einlagensatz gegen Ende 2025 bei rund 1,75 Prozent liegen wird. Damit würde die EZB 2025 den Leitzins im Gesamtumfang von 1,25 Prozentpunkten nach unten setzen. Bis Juni 2025 werden Zinssenkungen von zusammen 1,00 Prozentpunkten erwartet.
Österreichs Notenbankchef Holzmann kann sich mit einer Rückkehr der Sätze auf ein neutrales Niveau von rund zwei Prozent, das die Wirtschaft weder bremst noch anschiebt, anfreunden. "Die Zinsen werden in diese Richtung gehen", sagte er vor der Presse. Sollten sich die aktuellen Markteinschätzungen erfüllen, dann stimmten sie mit den Notenbank-Prognosen überein. "Und wenn unsere Prognosen übereinstimmen, dann werden wir wahrscheinlich auch unsere Zinsen anpassen müssen, um konsistent zu sein", fügte er hinzu.
Sein spanischer Kollege Escriva sagte im Fernsehen, es sei "logisch", dass die EZB die Zinsen auf künftigen Sitzungen erneut senken werde, sollte sich die Inflation weiter auf die EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent zubewegen. Im November lag die Teuerung im Euroraum bei 2,3 Prozent. Portugals Notenbankchef Centeno blies ins gleiche Horn. "Für die Zukunft gibt es die Erwartung, dass die restriktive Ausrichtung der Zinsen verringert wird", erklärte er. Wenn es keine neuen Schocks gebe, solle die Geldpolitik in ein paar Quartalen normalisiert werden. Dabei verwies er auf ein Zinsniveau nahe zwei Prozent.
EHER KEINE STÄRKEREN ZINSSCHRITTE
Luxemburgs Notenbankchef Reinesch, der sich nur ganz selten öffentlich zur Geldpolitik äußert, sagte dem Sender RTL, es wäre nicht unvernünftig, wenn der Einlagensatz bis zum Frühlingsbeginn auf 2,5 Prozent sinken würde. Seine Einschätzung setzt voraus, dass die EZB auf den kommenden geldpolitischen Sitzungen im Januar und im März die Zinsen um jeweils einen viertel Prozentpunkt nach unten setzt.
Auf der Zinssitzung am Donnerstag hatten sich Insidern zufolge etwa fünf Währungshüter anfangs für eine stärkere Zinssenkung ausgesprochen. Einem Insider zufolge wird die Diskussion um größere Zinsschritte auch wieder aufflammen. Doch Escriva wies darauf hin, dass sich der Gedanke durchgesetzt habe, weiter mit kleinen Schritten nach unten voranzuschreiten. "Dies ist die Form, die es uns weiter ermöglicht, die Auswirkungen im Hinblick auf die Disinflation zu bewerten", sagte er. Unter Disinflation wird der Prozess des Abebbens der Teuerung verstanden.
(Reporter Dominique Vidalon, Emma Pinedo, Inti Landauro, Francois Murphy, Sergio Goncalves; Geschrieben von Frank Siebelt; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)