Produktion und Exporte sinken - "Ernüchterung statt Aufbruch"

Berlin (Reuters) - Die deutsche Industrie ist mit einem Rückschlag ins zweite Quartal gestartet: Sie drosselte ihre Produktion im April stärker als erwartet, während ihre Exporte auch wegen eines Einbruchs im US-Geschäft erstmals seit einem halben Jahr schrumpften.
Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 1,4 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang von 1,0 Prozent gerechnet, nachdem der Ausstoß im März noch um 2,3 Prozent gestiegen war.
Die Exporte fielen zum ersten Mal seit Oktober 2024: Sie nahmen um 1,7 Prozent zum März auf 131,1 Milliarden Euro ab. Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang von 0,7 Prozent gerechnet, nach einem Plus von 1,2 Prozent im März. Die meisten Ausfuhren gingen zwar auch im April in die Vereinigten Staaten, die Waren im Wert von 13,0 Milliarden Euro kauften. Das waren aber 10,5 Prozent weniger als noch im März, der von Vorzieheffekten gekennzeichnet war, mit denen US-Importeure die drohenden Zollerhöhungen umgehen wollten. "Statt Aufbruch herrscht Ernüchterung", sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier. "Die dramatisch gesunkenen Exporte in die USA schlagen deutlich ins Kontor."
Das China-Geschäft schwächelt ebenfalls: Die Ausfuhren in die Volksrepublik sanken um 5,9 Prozent auf 7,0 Milliarden Euro. "Ein Trend, der sich aufgrund der zunehmenden Kompensation von Importen durch heimische Produktion in China wahrscheinlich fortsetzen wird", warnte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. "Gleichzeitig entwickelt sich China aber auch außerhalb des eigenen Marktes immer mehr zum härtesten Wettbewerber unserer Wirtschaft."
Es gibt aber auch einen Hoffnungsschimmer: Die Importe legten im April mit 3,9 Prozent zum Vormonat auf 116,5 Milliarden Euro überraschend stark zu. Analysten hatten hier nur einen Anstieg von 0,5 Prozent vorausgesagt. Das kräftige Plus könnte für eine anziehende Binnennachfrage sprechen.
"WIRTSCHAFT PROFITIERT VON ZINSSENKUNGEN"
Das Bundeswirtschaftsministerium warnt wegen der handelspolitischen Unsicherheiten infolge der US-Zollpolitik vor möglichen weiteren Rückschlägen. "Die Aussichten für eine Erholung der Industrieproduktion haben sich dementsprechend zuletzt wieder etwas eingetrübt", so das Ministerium.
Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal um überraschend starke 0,4 Prozent gewachsen. Ökonomen sehen trotz des schwachen Starts in das Frühjahrsquartal gute Chancen für eine Belebung von Europas größter Volkswirtschaft. "Die deutsche Konjunktur profitiert von den EZB-Zinssenkungen und bald auch vom großen Fiskalpaket, auch wenn die US-Zollerhöhungen die Erholung dämpfen", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins erst am Donnerstag zum achten Mal seit 2024 gesenkt, was die Kredite für Investitionen billiger macht. Zudem will die Bundesregierung Hunderte Millionen in Infrastruktur und Aufrüstung stecken.
"In den kommenden Monaten ist – vor allem aufgrund der angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung – mit einer langsamen Wachstumsbeschleunigung zu rechnen", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Ab Juli sollten die verbesserten Abschreibebedingungen für eine steigende Investitionsnachfrage sorgen. "Auch dürften Unternehmen dann ihre aufgeschobenen Investitionen nachholen", sagte Dullien.
Die negative Entwicklung der Produktion verteilt sich auf viele Wirtschaftsbereiche. So stellte die Pharmaindustrie um 17,7 Prozent weniger her als im Vormonat, nachdem sie im März noch ein Plus von 19,3 Prozent erzielt hatte. Die Maschinenbauer produzierten 2,4 Prozent weniger. Baugewerbe (+1,4 Prozent) und Nahrungsmittelindustrie (+5,7 Prozent) fuhren ihre Produktion dagegen hoch.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)