Annäherung im Handelsstreit: USA und China lockern Exportbeschränkungen

- von Kate Holton und Andrea Shalal und Alistair Smout
London (Reuters) - Die USA und China haben sich im Handelsstreit ein Stück angenähert.
Nach zwei intensiven Verhandlungstagen auf neutralem Boden in London teilten beide Seiten mit, eine Grundsatzverständigung erzielt zu haben. Sie soll vor allem Exportkontrollen - etwa für Seltene Erden aus China - lockern. Die Präsidenten beider Länder müssen sich nun mit dem Rahmenabkommen beschäftigen. Zum eigentlichen Streitfall, den Sonderzöllen der USA, gab es nach US-Darstellung auch eine Annäherung.
Nachdem am Dienstagabend gegen Mitternacht eine Einigung erzielt wurde, sagte US-Handelsminister Howard Lutnick Journalisten, der Deal sollte dazu führen, dass Mineralien und Magnete aus Seltenen Erden wieder in die USA kommen. Dies betonte auch US-Präsident Donald Trump in einem Internet-Post. Er sprach von einem beschlossenen Deal. Die USA erlaubten im Gegenzug chinesischen Studenten Zugang zu amerikanischen Universitäten.
Mit dem vorläufigen Deal gibt es eine Chance, dass die Waffenruhe im Handelskrieg aus dem Mai hält. Die USA hatten China immer wieder vorgeworfen, mit Exportkontrollen die Lieferung Seltener Erden zu unterbinden. Hier ist die Abhängigkeit vieler Länder und Industrien von China besonders groß. In Elektroautos werden die Rohstoffe zum Beispiel benötigt.
Lutnick sagte mit Blick auf die Gespräche beider Länder im Mai in Genf, die jetzige Verständigung sei wie "Fleisch auf dem Knochen". Mitte Mai wurden in der Schweiz eine 90-tägige Stillhaltefrist sowie deutlich niedrigere Zollsätze vereinbart. Zuvor hatte sich die Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen bis auf deutlich über 100 Prozent hochgeschaukelt - ein Niveau, das den Handel der beiden weltgrößten Volkswirtschaften nachhaltig schaden würde. Ein US-Regierungsvertreter sagte, die Einigung erlaube es den USA, künftig einen Zoll von 55 Prozent auf Importe aus China zu erheben. China werde seinerseits zehn Prozent auf Einfuhren aus den USA in Rechnung stellen.
Lutnick zufolge würden auch einige der eingeführten US-Exportkontrollen aufgehoben. Details blieb er aber schuldig. Nun müssten Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping darüber befinden. Sollte es grünes Licht geben, werde das Rahmenabkommen eingeführt. Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett hatte am Montag gesagt, die USA könnten im Gegenzug Exportkontrollen bei Halbleitern lockern.
CHINA: SOLLTEN ZUSAMMENARBEIT VERTIEFEN
Der chinesische Vize-Ministerpräsident He Lifeng nannte die Verhandlungen im prunkvollen Lancaster House unweit des Buckingham Palastes gründlich und offen. Die USA und China sollten ihre Übereinkunft ausweiten und Kommunikationskanäle offenhalten, wurde He in der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zitiert. Beide Seiten sollten stabile und langfristig angelegte Wirtschaftsbeziehungen anstreben.
Trotz der Annäherung hielten sich die Anleger am Frankfurter Aktienmarkt zurück. Der Dax lag mit 24.033 Zählern nur 0,2 Prozent im Plus. Das erzielte Abkommen wurde von Investoren als wenig konkret bezeichnet. "Chips gegen Seltene Erden, so könnte die Formel für die Lösung dieses Konflikts lauten", sagte Aktienexperte Jürgen Molnar von RoboMarkets.
Die Bundesregierung habe die Einigung aus der Nacht zur Kenntnis genommen, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Berlin. Deutschland unterstütze die EU-Kommission in ihren Verhandlungen mit den USA.
China stört sich vor allem an den von Trump verhängten Sonderzöllen. Die USA kritisieren die hohen staatlichen Subventionen für chinesische Industrien, die dann die Weltmärkte mit Billigprodukten fluten. Beide Seiten haben noch bis zum 10. August Zeit, um weitere Kompromisse zu finden. Ansonsten schießen die Zölle wieder in die Höhe - auf 145 Prozent auf US-Seite und 125 Prozent auf der chinesischen Seite.
WELTBANK PESSIMISTISCH
Die Weltbank hat gerade ihre Wachstumsprognose für die globale Konjunktur spürbar gesenkt. Wegen höherer Zölle und größerer Unsicherheit dürfte die Weltwirtschaft 2025 nur noch um 2,3 Prozent zulegen und damit 0,4 Punkte weniger als bisher erwartet. Experten gehen davon aus, dass die USA als Auslöser des Handelsstreits mit einer höheren Inflation und weniger Wachstum rechnen müssen. Auch mit der Europäischen Union liegt Trump im Clinch. Hier sollen Verhandlungen bis Anfang Juli einen Durchbruch bringen.
Grundsätzliche Kritik äußerte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde: Finanzielle Ungleichgewichte könnten nicht mit handelspolitischen Zwangsmaßnahmen behoben werden. Das Risiko gegenseitiger Schäden sei so groß, dass alle Seiten gegenseitige Anpassungen abwägen müssten, um die Spannungen zu lösen, erklärte die Französin am Mittwoch bei einem Besuch in Peking. "Wir haben einen starken Anstieg des Einsatzes industriepolitischer Maßnahmen zur Förderung inländischer Kapazitäten beobachtet", so Lagarde. "Seit 2014 haben sich die subventionsbedingten Eingriffe, die den globalen Handel verzerren, weltweit mehr als verdreifacht."
(Mitarbeit von Balazs Korany, Andreas Rinke und Yukun Zhang, geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)