Europäer erhöhen Druck auf Israel wegen Politik in Palästinenser-Gebieten

- von Andreas Rinke und Lili Bayer
Berlin/Brüssel (Reuters) - Unabhängig von der Unterstützung für Israels Angriffe auf Atomanlagen im Iran dringen die Europäer jetzt verstärkt darauf, dass Israel sein Vorgehen gegenüber den Palästinensern im Gazastreifen und im Westjordanland revidiert.
Kanzler Friedrich Merz telefonierte sowohl mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als auch dem Emir von Katar und verwies dabei auf die schlechte Versorgungslage der palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen. Neun EU-Länder forderten die EU-Kommission auf, neue Vorschläge vorzulegen, wie der Handel mit jüdischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten verhindert werden kann.
Während die meisten EU-Staaten Israels Angriffe auf den Iran verteidigt haben, wird die Politik der Regierung in Jerusalem in den besetzten palästinensischen Gebieten von den meisten Staaten sehr kritisch gesehen. Die Außenminister Belgiens, Finnlands, Irlands, Luxemburgs, Polens, Portugals, Sloweniens, Spaniens und Schwedens unterzeichneten deshalb einen Brief an die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas zu den jüdischen Siedlungen. Die EU ist Israels größter Handelspartner und macht etwa ein Drittel seines gesamten Warenhandels aus. Der bilaterale Warenhandel zwischen der EU und Israel belief sich im vergangenen Jahr auf 42,6 Milliarden Euro (48,91 Milliarden US-Dollar), wobei unklar ist, wie viel davon auf die Siedlungen entfiel.
Die Minister verwiesen auf ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2024, in dem die Besetzung palästinensischer Gebiete und die dortigen israelischen Siedlungen als illegal bezeichnet werden. Darin heißt es, dass Staaten Maßnahmen ergreifen sollten, um Handels- oder Investitionsbeziehungen zu verhindern, die zur Aufrechterhaltung dieser Situation beitragen. "Wir haben keinen Vorschlag gesehen, Diskussionen darüber zu initiieren, wie der Handel mit Waren und Dienstleistungen mit den illegalen Siedlungen wirksam eingestellt werden kann", schrieben die Minister.
Deutschland gehört innerhalb der EU zu den Bremsern von Sanktionen gegen Israel, hat sich aber Sanktionen gegen radikale jüdische Siedler angeschlossen. Frankreich, Großbritannien und Kanada hatten zudem Sanktionen gegen radikale Minister der Netanjahu-Regierung verhängt, weil diese zu völkerrechtswidrigen Aktionen gegen die Palästinenser aufrufen.
Der Brief der EU-Außenminister kommt vor einem Treffen in Brüssel am 23. Juni, bei dem die EU-Außenminister die Beziehungen der Union zu Israel erörtern wollen. Nächste Woche findet auch der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt.
Merz versicherte dem israelischen Regierungschef, dass er die prinzipielle Unterstützung für die Angriffe im Iran habe. In dem Telefonat mit Netanjahu am Mittwochabend habe der Kanzler aber auch für ein maßvolles und kontrolliertes Vorgehen im Iran geworben, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen. Am Freitag wollen sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens mit ihrem iranischen Kollegen treffen. Merz und der Emir von Katar warnten vor einer Ausweitung des Krieges in der Nahost-Region und forderten eine möglichst schnelle Waffenruhe im Gazastreifen. Hier fordert die Bundesregierung seit längerem eine bessere Versorgung der Zivilbevölkerung. Israel blockiert internationale Hilfe in erheblichem Maße.
(Bericht von Andreas Rinke, Lili Bayer; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)