Iran lehnt Verhandlungen während Israels Angriffen ab

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(Neue Einzelheiten)

- von Parisa Hafezi und Maayan Lubell und Jana Choukeir

Jerusalem/Dubai/Washington (Reuters) - Der Iran ist nach eigenen Angaben nicht zu Verhandlungen über sein Atomprogramm bereit, solange die israelischen Angriffe andauern.

Das betonte Außenminister Abbas Araghtschi am Freitag unmittelbar vor Gesprächen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien über das iranische Atomprogramm in Genf. "Es gibt keinen Raum für Verhandlungen mit uns, bis die israelische Aggression aufhört." Die USA bezeichnete er als "Komplizen" Israels und dessen "Aggression". Bundesaußenminister Johann Wadephul sagte, die europäischen Staaten seien zu Verhandlungen mit dem Iran bereit. Dazu müsse die Führung in Teheran aber Zusagen machen, was ihr Atom- und Raketenprogramm betreffe.

In Genf wollen Wadephul und seine Kollegen aus Paris und London, Jean-Noël Barrot und David Lammy, sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas mit Araghtschi ausloten, wie die Verhandlungen wieder aufgenommen werden können. "Dies erfordert die ernsthafte Bereitschaft Irans, auf jegliche Anreicherung von Nuklearmaterial zu verzichten, die zur nuklearen Bewaffnung führen könnte", sagte Wadephul vor seiner Abreise nach Genf. "Dies setzt auch voraus, dass das Raketenprogramm einbezogen werden kann." Der britische Außenminister David Lammy forderte: "Jetzt ist es an der Zeit, den schrecklichen Entwicklungen im Nahen Osten ein Ende zu setzen und eine regionale Eskalation zu verhindern, die niemandem nützen würde."

Bei seiner Ankunft in Genf nannte Araghtschi die israelischen Angriffe einen Verrat der Diplomatie. Ein iranischer Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, die Regierung in Teheran sei bereit, "im Umgang mit Europa eine kluge, ausgewogene und pragmatische Politik zu verfolgen". Grundsätzlich ist der Iran nach Angaben aus Regierungskreisen bereit, mit den Europäern über eine Begrenzung der Uran-Anreicherung in seinem Atomprogramm zu sprechen. Eine Reduzierung auf Null komme aber nicht infrage, sagte ein iranischer Regierungsvertreter vor Beginn der Gespräche. Die Rolle der europäischen Mächte sei nun bedeutender. Wegen der israelischen Angriffe auf sein Land wolle die Regierung in Teheran derzeit nicht mit den USA interagieren.

"ABGRUND VON INSTABILITÄT UND KRIEG"

Das weitere Vorgehen der USA blieb unklar. Präsident Donald Trump sollte am Freitagmorgen an einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats teilnehmen. Das Weiße Haus hatte am Donnerstag erklärt, Trump werde innerhalb der nächsten zwei Wochen darüber entscheiden, ob sich die USA an den Angriffen auf den Iran beteiligten. US-Außenminister Marco Rubio betonte: "Der Iran darf niemals Atomwaffen entwickeln oder erwerben."

Das israelische Militär warnte am Freitag vor anfliegenden Raketen aus dem Iran. Mindestens eine Rakete schlug direkt in Beerscheba ein, der größten Stadt im Süden Israels. Der Einschlag erfolgte in der Nähe von Wohnhäusern, Bürogebäuden und Industrieanlagen. Die Explosion hinterließ einen großen Krater, riss die Fassade mindestens eines Wohnkomplexes ab und beschädigte mehrere andere Gebäude. Medien berichteten von ersten Hinweisen auf Raketeneinschläge in Tel Aviv, der Negev-Wüste und Haifa. Am Donnerstag hatte der Iran ein großes Krankenhaus in Beerscheba getroffen und erklärt, ein nahegelegenes israelisches Militärhauptquartier anzugreifen – eine Darstellung, die Israel zurückweist.

"ZIELEN WIR AUF DEN STURZ DES REGIMES AB?"

Gleichzeitig meldeten iranische Rettungsdienste, dass fünf Krankenhäuser bei israelischen Angriffen beschädigt worden seien. Das israelische Militär bestätigte mehrere nächtliche Angriffe im Zentrum Teherans, die auf Anlagen zur Raketenproduktion und eine Einrichtung für Forschung und Entwicklung von Atomwaffen gezielt hätten. Die Angriffe Israels auf Ziele im Iran begannen vor einer Woche. Die Regierung in Jerusalem will damit verhindern, dass der Iran eine Atombombe entwickelt. Zugleich soll das Raketenprogramm der Islamischen Republik zerstört werden.

Der Iran hat darauf mit Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel reagiert. Die Führung in Teheran hat mehrfach erklärt, ihr Atomprogramm diene ausschließlich zivilen Zielen. Gleichwohl hat das Land die Uran-Anreicherung über eine rein friedliche Nutzung hinaus vorangetrieben. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien hatte vergangene Woche festgestellt, dass der Iran seinen Verpflichtungen nach dem Atomwaffen-Sperrvertrag nicht nachkomme.

Bei den israelischen Luftangriffen sind nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Activists News Agency bislang 639 Menschen im Iran ums Leben gekommen. Unter den Getöteten waren Mitglieder der militärischen Führungsspitze und Atomwissenschaftler. Vermutet wird, dass Israel darauf abzielt, die Regierung des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei zu destabilisieren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bemerkte am Donnerstag: "Zielen wir auf den Sturz des Regimes ab? Das könnte ein Ergebnis sein, aber es liegt am iranischen Volk, sich für seine Freiheit zu erheben."

(Bearbeitet von Alexander Ratz; redigiert von Jörn Poltz.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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