Wut und Sorgen im Iran nach Internetsperre im Krieg

dpa-AFX · Uhr

TEHERAN (dpa-AFX) - Eine Woche nach Kriegsbeginn wächst im Iran neben großen Sorgen auch die Wut angesichts einer nahezu vollständigen Internetsperre. Offiziell begründen die Sicherheitsbehörden die Maßnahme mit militärischen Notwendigkeiten zum Schutz vor Angriffen des Erzfeindes Israel. Viele Menschen im Land, die sich frei informieren wollen, glauben dieser Darstellung jedoch nicht mehr. Sie werfen der Staatsführung vor, Berichte über das Kriegsgeschehen zu zensieren und Schäden in den Metropolen verbergen zu wollen.

Verlassene Millionenmetropole und ein Hauch von Normalität

Die Stimmung in Teheran, sonst eine pulsierende Millionenmetropole mit über 15 Millionen Einwohnern, ist gedrückt. Tagsüber liegt über vielen Teilen der Megacity eine gespenstische Stille - Geschäfte, Einkaufszentren und Restaurants bleiben geschlossen. Eine Woche nach Kriegsbeginn kehrt mancherorts jedoch ein Hauch von Alltag zurück. Einige Bewohner, die in den ersten Tagen geflohen waren, denken angesichts teurer Unterkünfte auf dem Land über eine Rückkehr nach.

Mortesa (29), Angestellter bei der Stadt, sorgt sich um die Zukunft. "Aktuell gibt es weniger Arbeitsstunden, damit bin ich zufrieden", sagt er und lacht - seinen Humor hat er nicht verloren. "Ich habe Angst, dass eines Tages das Bankensystem nicht mehr funktioniert, dass die Versorgung mit Benzin, Strom und Wasser gestört wird." Wenn die Angriffe andauerten, sagt er, nähmen die Probleme zu.

Hassan (28), der im Mediensektor arbeitet, wünscht sich Normalität und sagt: "Ich habe Angst, dass trotz all der Toten und der zerstörten Infrastruktur das Regime bestehen bleibt und alles sinnlos und vergeblich war."

Frauen tragen plötzlich T-Shirts

Augenzeugen berichten aus der Hauptstadt von Straßenkontrollen durch Sicherheitskräfte an nahezu allen wichtigen Knotenpunkten und Kreuzungen. Viele Frauen ignorieren inzwischen die strengen islamischen Kleidungsregeln komplett und gehen bei über 30 Grad ohne Kopftuch und im T-Shirt durch die Stadt. Ein Thema, das zuletzt unter konservativen Klerikern heftig diskutiert wurde, ist angesichts des Kriegs in den Hintergrund gerückt.

Wut unter Regierungsgegnern auch auf Israel

Seit der Islamischen Revolution von 1979 gilt die Feindschaft zu Israel als Staatsdoktrin. Auch Israel betrachtet den Iran als seinen größten Feind. Gefangen in der Eskalation sind die Unschuldigen, die in der Region in Frieden leben wollen. Im Iran lebt die größte jüdische Gemeinde im Mittleren Osten. Noch vor 50 Jahren waren die Beziehungen zwischen Israel und Iran gut, teils arbeitete man sogar eng zusammen.

Angesichts der verheerenden israelischen Angriffe droht die Stimmung unter Gegnern der iranischen Staatsführung zu kippen. Viele Menschen zeigen sich schockiert darüber, dass Israel nicht nur Militäreinrichtungen und Atomanlagen bombardiert, sondern auch dicht besiedelte Wohngebiete der Hauptstadt angreift. Einige nehmen das in Kauf - in der Hoffnung auf einen Sturz der Regierung in Teheran. Die Mehrheit aber sehnt sich nach Normalität./arb/DP/jha

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