ROUNDUP: Streit um Stromsteuer wird zur Belastungsprobe für die Koalition
BERLIN (dpa-AFX) - Der Streit um die Stromsteuer wird zunehmend zur ersten großen Belastungsprobe für die schwarz-rote Koalition. Unionspolitiker forderten vor einem Treffen der Koalitionsspitzen am Mittwoch eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. CSU-Chef Markus Söder brachte zur Gegenfinanzierung Einsparungen bei den Sozialausgaben ins Spiel. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf reagierte verärgert und forderte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf, "Störfeuer" aus den eigenen Reihen zu beenden.
Keine Entlastung für alle
CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Entlastung bei Energiepreisen die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken sowie Umlagen und Netzentgelte zu reduzieren. Allerdings steht dort auch der Satz: "Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt."
Das Kabinett beschloss nun im Zuge des Entwurfs für den Haushalt, dass es zum 1. Januar Entlastungen bei den Netzentgelten, einem Bestandteil des Strompreises, geben soll, außerdem soll die Gasspeicherumlage für Gaskunden abgeschafft werden.
Zur Stromsteuer wurde beschossen, die Absenkung für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft zu verstetigen - von einer Absenkung für alle war keine Rede mehr. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sowie Kanzler Friedrich Merz (CDU) verwiesen auf Haushaltszwänge. Die Stromsteuer für private Verbraucher liegt derzeit bei 2,05 Cent je Kilowattstunde (kWh). Das europäische Mindestmaß beträgt 0,1 Cent je kWh.
Unionsfraktionschefs fordern weitere Entlastung
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU forderten eine zügige Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß für alle Unternehmen sowie alle Verbraucherinnen und Verbraucher. In einem Papier, welches die Fraktionsspitzen auf ihrer Konferenz im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim beschlossen, heißt es, es müssten zeitnah und "auf alle Fälle noch in dieser Legislaturperiode" weitere Schritte zur Entlastung folgen - "sobald die finanziellen Spielräume hierfür bestehen".
Milliarden gesucht
Genau das ist das Problem: Die Koalition müsste für weitere Entlastungen bei der Stromsteuer an anderer Stelle viel Geld einsparen. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums würde eine Senkung der Stromsteuer für alle im kommenden Jahr rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten.
Beim Bürgergeld sparen?
"Es kann nicht sein, dass wir beim Bürgergeld Rekordausgaben haben und deswegen andere wichtige Anliegen wie Entlastungen bei der Stromsteuer aufschieben müssen. Genau darüber wird im Koalitionsausschuss zu sprechen sein", sagte Bayerns Ministerpräsident Söder der Deutschen Presse-Agentur. Söder bezeichnete die Senkung der Stromsteuer für die Industrie als ersten Schritt. "Wir brauchen aber auch eine komplette Entlastung für den Mittelstand, das Handwerk."
SPD verärgert
Klüssendorf sagte der dpa mit Blick auf Söder: "Die Union tut gerade das, wofür sie die Ampel immer kritisiert hat. Sie kündigt gemeinsame Einigungen der Regierung von der Seitenlinie auf und sät Zwietracht." Klüssendorf machte deutlich, wenn eine Finanzierung für weitere Entlastungen für Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Stromsteuer gefunden werde, sei die SPD sofort dabei. "Dafür müssen aber auch CDU und CSU die Bereitschaft haben, eigene Lieblingsprojekte neu zu priorisieren."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: "Die Union sollte sich kein Beispiel an den früheren öffentlichen Diskussionen der Ampel nehmen."
Die Zeit der früheren Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP war geprägt von vielen zahlreichen, öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten.
Finanzministerium verteidigt Kurs
Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte zur Stromsteuer, die Entlastung des produzierenden Gewerbes wirke für Unternehmen in der Breite. Es würden auch lokale Betriebe, Mittelstand und Handwerk entlastet. Einzige Voraussetzung sei das Überschreiten eines Stromverbrauchs von 12,5 Megawattstunden pro Jahr beziehungsweise einer jährlichen Stromsteuer von mindestens 250 Euro. Diese Schwelle sei sehr gering.
Kritik von Wirtschaftsverbänden
Die Wirtschaft hielt dagegen. Der Großteil der Betriebe in Deutschland bleibe ohne Entlastung, sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer der dpa. "Denn zum produzierenden Gewerbe gehören beispielsweise keine Kaufhäuser, Rechenzentren, Wäschereien, Kühlhäuser oder Autohäuser. Deshalb brauchen wir eine Entlastung bei der Stromsteuer für die gesamte Breite der deutschen Wirtschaft."
Dazu komme: Wer eine Entlastung bei der Stromsteuer wolle, müsse zuerst einen Antrag stellen. "Das lohnt erst bei größerem Stromverbrauch und ist wieder eine bürokratische Belastung", so Dercks. "Davon müssen wir wegkommen. Wir brauchen bei den Strompreisen schnellere, einfachere und effizientere Entlastung für alle."
Im Handwerk zum Beispiel profitieren von einer Stromsteuersenkung bestimmte Handwerksbetriebe, die dem produzierenden Gewerbe zugezählt werden. Das sind etwa Bäckereien. Andere Betriebe wie Textilreiniger oder Kfz-Betriebe werden nicht entlastet.
Grüne: Hick-Hack
Der Grünen-Energiepolitiker Michael Kellner sagte: "Schwarz-Rot verunsichert Menschen und Unternehmen mit ihrem Hick-Hack zur Stromsteuer. Hier muss die Koalition am Mittwoch endlich Klarheit schaffen und das Versprechen von einer Entlastung für alle erfüllen." Kellner wandte sich auch gegen Forderungen aus der Union, die Förderung für die Wärmewende auszubremsen./hoe/DP/nas