Aktien auf der Ölspur

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! „Chaos am Ölmarkt“ titelte gestern das Handelsblatt. Und quer durch die Medienlandschaft wurden die Sorgen beschrieben, die man sich wegen der sinkenden Energiepreise machen müsse, denn ein Fass der Sorte Brent kostete wieder weniger als 45 US-Dollar - ähnlich wie im Januar 2016, als der Preissturz auch auf die Aktienmärkte überschwappte. Häh? Ich habe in den vergangenen Tagen keinen einzigen Börsenberichterstatter aufgespürt, der kopfschüttelnd den direkten Zusammenhang zwischen Öl- und Aktienpreisen in Frage stellte. Nee, man schreibt und plappert das nach, was andere schon abgesondert haben. Und besonders intelligent klingt es, wenn man gleichzeitig an die Erfahrungen von Anfang vergangenen Jahres erinnert.

Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, meine Freunde. Aber früher hat man sich allgemein über niedrige Ölpreise gefreut, die Heizöl verbrennenden Privatleute ebenso wie die verbrauchende Industrie, denn: Es werden Kosten gespart. Nur die Produzenten ärgert es naturgemäß, wenn ihr schwarzes Gold an Wert verliert. Um das zu kapieren, braucht man auch kein Betriebs- oder Volkswirtschaftsstudium. Und jetzt? Abgesehen davon, dass wir bei den täglichen Börsenkursen nicht mehr den vollen Durchblick haben können - als Folge der Digitalisierung mit ihren Algorithmen - und zunehmend kurzfristige Geschäfte (= Spekulationen) eine Rolle spielen, müssen wir mehr auf die Hintergründe gucken.

Dazu nochmal die Wirtschaftszeitung: Die Opec kann trotz Förderkürzung den Preisverfall nicht aufhalten. Dahinter stecken nicht nur Überkapazitäten, sondern auch Sorgen um die Weltkonjunktur. Aha! Jetzt haben wir’s. Aber diese Ängste sind nicht nur nach meiner Einschätzung stark übertrieben, zumindest weit verfrüht. 2017 ist eben nicht 2016.

Heute ist Öl billig, weil die USA fracken, was der Schiefer hergibt, und damit die Entscheidung der Opec, bis März 2018 weniger zu fördern, verpufft. Vor gut einem Jahr hingegen drohte die Nachfrage aus China wegzubrechen und die Weltkonjunktur zu gefährden - die Vordenker irrten sich. Es kam anders, was vorerst wohl auch so bleibt, wie mir Deutschbank-Chefstratege Ulrich Stephan schreibt: Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die weltweite Nachfrage 2018 auf 100 Millionen Barrel pro Tag ansteigt. Die Unternehmen trifft der Preisverfall indes auch nicht mehr so unvorbereitet. Nach den harten Einschnitten 2016 können die meisten heute länger am Markt durchhalten als vor anderthalb Jahren. Und die großen Staatsfonds sehen sich anders als damals auch nicht gezwungen, ihre Vermögenswerte gleich zu verkaufen.

Zugegeben, es gibt inzwischen ein paar internationale Fondsmanager, die konjunkturtechnisch zu unken beginnen: Droht uns eine Abschwächung der Wirtschaft schon im zweiten Halbjahr? Glaub ich nicht, Leute, und habe dafür viele prominente Zeugen. Wahrscheinlicher ist das Gegenteil, nämlich eine weitere Stabilisierung oder sogar Zunahme des Weltwirtschaftswachstums. Und das würde gegen noch stärkere Preisrückgänge beim Rohöl, die kurzfristig nicht voll  auszuschließen sind, sprechen.

Also: Keine Angst vor der Ölspur, liebe Aktienfans! Beobachtet genau, wie schnell sich die Börse wieder fängt, wenn Dow und Dax mal weiche Knie kriegen. Die Profis haben Schiss, Performance zu verpassen und steigen nach schwächeren Tagen gleich wieder ein. Das hat bisher eine (durchaus wünschenswerte) Konsolidierungsphase verhindert. Ich bleibe „optisichtig“ (= neue Wortschöpfung aus optimistisch und vorsichtig).

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