Brexit: Die Spannung steigt – Wie sieht Plan B von Theresa May aus?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In wenigen Stunden steigt der nächste Akt im Brexit-Gerangel. Die britische Premierministerin Theresa May will ihre Erklärung zum Plan B für ihr gescheitertes Abkommen über den EU-Austritt an diesem Montag frühestens um 16.30 Uhr (MEZ) präsentieren. Das bestätigte ein Regierungssprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur in London.

Wie sieht Plan B aus?

Mit dieser Frage wird schon wieder deutlich, wie verfahren die Situation auf der Insel ist. Es ist noch nicht einmal klar, ob Theresa May mit einem konkreten Plan vor die Öffentlichkeit tritt oder ob sie nur einen neuen Fahrplan für die kommenden Tage bis zur nächsten Abstimmung am 29.01.2019 präsentiert.

Keine Einigung im Unterhaus in Sicht

Die britische Premierministerin hatte nach der Niederlage angekündigt, Gespräche mit Vertretern aller Parteien zu führen. Allerdings ist noch nicht einmal dieser Plan aufgegangen, denn eine ganz wichtige Person spielt noch nicht einmal hier mit. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei hat ein Treffen mit May ausgeschlossen, solange sie einen Brexit ohne Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche nicht ausschließt. May bezeichnete das als unmöglich. Ein Kompromiss mit der Labour-Partei ist damit immer noch in weiter Ferne.

So verpassen Sie keine wichtige Nachricht mehr! Der kostenlose Newsletter onvista weekly - hier geht es zur Registrierung.

Aufschub finden wohl die größte Mehrheit

Es gibt Pläne von Oppositionsabgeordneten und EU-freundlichen Rebellen im Regierungslager, die einen Aufschub des Brexit-Datums zu erzwingen möchten, sollte sich ein Austritt ohne Abkommen abzeichnen. Noch am Montag sollen dafür mehrere Änderungsanträge für Mays Beschlussvorlage vorgebracht werden. Abgestimmt werden soll darüber am 29. Januar. Eine weitere Abstimmung über das Brexit-Abkommen wird nicht vor Mitte Februar erwartet.

Opposition außen vor?

Britische Medien spekulieren unterdessen, dass May aufgegeben habe, einen Konsens mit der Opposition zu suchen und wolle sich stattdessen darauf konzentrieren, die Brexit-Hardliner in ihrer eigenen Partei und die nordirische-protestantische DUP zu überzeugen. Dafür wolle sie bei der EU um Zugeständnisse hinsichtlich der Backstop genannten Garantie für eine offene Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland werben. Mays Minderheitsregierung ist von den DUP-Stimmen abhängig.

Backstop und immer wieder Backstop

Mit dem EU-Austritt entsteht auf der irischen Insel eine EU-Außengrenze. Grenzkontrollen wollen alle Seiten vermeiden, um ein Wiederaufbrechen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion zu verhindern. Dort kämpften bis zum Karfreitagsabkommen von 1998 drei Jahrzehnte lang Katholiken, die eine Vereinigung mit der Republik im Süden forderten, gegen Protestanten, die zu Großbritannien gehören wollen. Auch die Polizei und das britische Militär wurden in den Konflikt hineingezogen. Die Bilanz: Mehr als 3600 Tote, fast 50 000 Verletzte, etwa 500 000 Traumatisierte. Es gibt kaum eine Familie in Nordirland, die nicht betroffen ist.

Neuer Vertrag soll das Problem lösen

Einem Bericht des „Daily Telegraph“ zufolge erwägt Theresa May Gespräche über das Karfreitagsabkommen zur Befriedung Nordirlands. Eine Neufassung des Vertrags solle garantieren, dass eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland vermieden wird. Aus Irland kam umgehend Widerspruch. Damit könnte der neue Plan der britischen Premierministerin schon zum Scheitern verurteilt sein, bevor sie ihn veröffentlicht hat. Auch die DUP dürfte May mit diesem Plan nicht hinter sich vereinigen können.

Gibt es überhaupt eine Lösung für das Problem?

Eine offene Grenze zwischen den beiden Teilen Irlands ist ein elementarer Bestandteil des Friedensabkommens. London besteht aber darauf, mit dem Brexit auch aus der Europäischen Zollunion und dem Binnenmarkt auszutreten. Grenzkontrollen werden damit unausweichlich. Der Backstop sieht vor, dass ganz Großbritannien so lange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. Nordirland soll zudem in Teilen im Binnenmarkt bleiben. Brexit-Hardliner halten das für einen Trick, um das Land dauerhaft an die EU zu binden. Die DUP will unbedingt verhindern, dass die Provinz einen rechtlichen Sonderstatus bekommt und damit aus ihrer Sicht näher an eine Vereinigung mit Dublin rückt.

Brüssel muss auch noch zustimmen

Der neue Plan oder vielleicht auch nur Fahrplan von Theresa May ist ein zweischneidiges Schwert. Sie muss ja nicht nur im britischen Unterhaus einen Vorschlag finden, der eine Zustimmung erhält, auch die EU muss den neuen Plänen zustimmen. Daher wartet man auch in Brüssel gespannt auf Mays Lösungsvorschläge. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte am Rande eines EU-Treffens: „Wir müssen jetzt endlich wissen, was man in London will und wofür es eine Mehrheit im Parlament gibt.“ Danach könne man mit Großbritannien darüber reden, wie ein Brexit ohne Abkommen zu verhindern sei. „Denn das wollen ja anscheinend alle.“

Interessante Einblicke in die Gespräche von Theresa May

Die Gespräche Mays mit den britischen Grünen nannte der Chef der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer enttäuschend. May sei nicht bereit gewesen, sich in entscheidenden Fragen zu bewegen und einen ungeregelten Brexit auszuschließen. Bütikofer, warf May vor, Irland aus der Solidarität der EU-Staaten herausbrechen zu wollen. Er bezog sich dabei Meldungen der britischen Presse, May wolle mit Irland eine bilaterale Regelung zur irisch-nordirischen Grenze aushandeln.

„Für eine Verhandlung braucht es ja zwei“, sagte Bütikofer am Montag im SWR. Irland sei aber bis jetzt sehr gut mit der Solidarität der anderen 26 Mitgliedsländer gefahren und dürfte nicht interessiert sein. „Erkennbar ist ja nun das Sinnen und Trachten von Frau May darauf gerichtet, Irland genau aus dieser Solidarität raus zu brechen. Ich halte das nicht für ein besonders aussichtsreiches Unterfangen“, sagte Bütikofer. Zudem werde die EU keine bilaterale Regelung von Fragen zulassen, die in ihrer Kompetenz lägen.

Plan B damit jetzt schon durch?

Die Aussagen von Reinhard Bütikofer passen zu der Spekulation der englischen Medien, dass Theresa May jetzt versucht die „Brexit-Hartliner“ und die DUP hinter sich zu versammeln, um ein positives Abstimmungsergebnis zu erzielen. Wie genau sie das erreichen möchte, wird wohl heute mitteilen. Diese Annahme spricht auch eher dafür das die britische Premierministerin nur eine Art Fahrplan verkünden wird. Etwas anderes bleibt ihr ja eigentlich auch nicht übrig, da für großartige Änderungen am aktuellen Vertragswerk die Zustimmung der EU fehlt. Viel Licht ins britische Brexit-Dunkel dürfte die Rede von Theresa May daher nicht bringen. Ein ungeregelter Brexit ist immer noch nicht vom Tisch und der 29.03. kommt auch nicht völlig überraschend. Jetzt sollten auf der Insel wirklich alle Beteiligten die Ärmel hochkrämpeln.

Von Markus Weingran

DAS WICHTIGSTE DER BÖRSENWOCHE – IMMER FREITAGS PER E-MAIL

Zum Wochenende die Top Nachrichten und Analysen der Börsenwoche!

Hier anmelden >>

Bild: Drop of Light / Shutterstock.com

Neueste exklusive Artikel