Britische Wirtschaft bricht ein Fünftel ein - "Harte Zeiten"

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von David Milliken und William Schomberg

London (Reuters) - Die Corona-Pandemie hat in Großbritannien deutlichere Bremsspuren hinterlassen als in anderen führenden Industrieländern.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach von April bis Juni um 20,4 Prozent zum Vorquartal ein. "Die durch die Coronavirus-Pandemie ausgelöste Rezession hat zum größten Rückgang des vierteljährlichen BIP geführt, der jemals verzeichnet wurde", sagte Jonathan Athow vom Statistikamt ONS am Mittwoch. Die Regierung rechnet zwar im laufenden Sommerquartal mit einem Ende der Rezession, sieht aber keine rasche Rückkehr zu Normalität. "Die heutigen Zahlen bestätigen, dass harte Zeiten angebrochen sind", sagte Finanzminister Rishi Sunak. "Hunderttausende Menschen haben bereits ihre Arbeit verloren, und leider werden es in den kommenden Monaten noch viel mehr sein." Die Notenbank befürchtet, dass es bis Ende 2021 dauern werde, bis die Wirtschaft zu ihrer früheren Stärke zurückfindet.

Die Pandemie hat Großbritannien besonders stark zugesetzt: Dem Statistikamt zufolge wurden zwischen März und Juni mehr als 50.000 Todesfälle mit dem Virus in Verbindung gebracht - mehr als in jedem anderen Land Europas. Premierminister Boris Johnson hatte nach anfänglichem Zögern Ende März einen harten Lockdown durchgesetzt, der im Frühjahr weite Teile der Wirtschaft zum Erliegen brachte. So mussten Pubs und Restaurants bis zum 4. Juli geschlossen bleiben - deutlich länger als anderswo. Deshalb schrumpfte die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt mehr als doppelt so stark wie Europas Nummer eins Deutschland, das im zweiten Quartal ein Minus von 10,1 Prozent meldete. Die US-Wirtschaft als weltweite Nummer eins brach um 9,5 Prozent ein. Selbst die stark von der Krise betroffenen südeuropäischen Staaten Italien (-12,4) und Spanien (-18,5) stürzten nicht so steil ab wie Großbritannien.

"KEINE V-FÖRMIGE ERHOLUNG"

Inzwischen gibt es Signale, dass die britische Wirtschaft mit der Aufhebung vieler Beschränkungen wieder auf die Beine kommt. Im Juni allein wuchs sie um 8,7 Prozent zum Mai. "Die Wirtschaft begann sich im Juni zu erholen", sagte Athow vom Office for National Statistics. "Trotzdem liegt das BIP immer noch ein Sechstel unter dem Niveau vom Februar, also bevor das Virus zuschlug." Die Handelskammer rechnet nicht mit einer raschen Rückkehr zum früheren Niveau. "Die Aussichten auf eine rasche 'V-förmige' Erholung sind nach wie vor gering, da die jüngsten Produktionszuwächse in den kommenden Monaten nachlassen könnten", sagte ihr Ökonom Suren Thiru. Der durch die Pandemie verursachte wirtschaftliche Schaden werde die Konjunktur künftig belasten, "insbesondere, da staatliche Unterstützungsmaßnahmen auslaufen".

Nach Prognose der britischen Notenbank wird das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr insgesamt um 9,5 Prozent fallen - ein Konjunktureinbruch, wie ihn Großbritannien seit rund 100 Jahren nicht mehr erlebt hat. Nächstes Jahr soll dann ein Wachstum von neun Prozent folgen. Die Krise hinterlässt deutliche Spuren am Arbeitsmarkt: Im zweiten Quartal wurden so viele Jobs vernichtet wie seit der Finanzkrise 2009. Die Zahl der Beschäftigten fiel von April bis Juni um 220.000. Steuerdaten zufolge haben die Arbeitgeber seit März bereits mehr als 700.000 Stellen abgebaut.

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