Bundestagswahl könnte noch zur Belastung werden

Stefan Riße · Uhr

Politische Börsen haben kurze Beine. In der Regel kümmert sich der Markt nicht mehr um die Wahlergebnisse, wenn diese feststehen. Im Gegenteil: War es aus Angst vor einem für die Börse ungünstigen Wahlausgang vor der Wahl mit den Kursen nach unten gegangen, drehen diese meist wieder nach oben, wenn die Wahl vorüber ist. Es ist das Phänomen des Fait Accompli, der vollendeten Tatsache, auf die sich eben nicht mehr spekulieren lässt. Zuletzt war dies bei der Wahl Donald Trumps 2016 zu beobachten. Die Börse wollte ihn nicht und wann immer die Umfragen in seine Richtung deuteten, ging es abwärts. Bis zum Schluss hatte man nicht an seinen Sieg geglaubt, besonders auffällig war dies in der Wahlnacht zu beobachten. Je klarer sich herausstellte, dass er gewinnen würde, desto tiefer sackten die per Futures gehandelten Börsenindizes weltweit ab. Doch kaum hatte er gewonnen und Hillary Clinton ihre Niederlage eingestanden, stiegen die Aktienmärkte deutlich an - dies auch über viele Monate, weil seine Politik sich dann sogar als förderlich erwies.

Diesmal ist vor der Wahl eventuell nach der Wahl

Heute, am Freitag dem letzten Handelstag vor der Wahl, wird sich wohl nicht mehr viel tun. Die Angst vor einem rot-rot-grünen Bündnis ist gering. Sollte sich nach der Wahl dies aber als konkrete Option erweisen, könnte doch noch Druck auf die Kurse kommen. Es ist dann sehr genau zu beobachten, wie Koalitionsverhandlungen laufen und mit wem sie überhaupt geführt werden. Werden Gespräche zwischen der Linken, den Grünen und der SPD konkreter, ist mit erheblichen Verlusten bei deutschen Aktien zu rechnen. Denn die SPD wird man nicht als Garanten dafür ansehen, dass das Schlimmste an steuerlichen Grausamkeiten vermieden wird. Denn die SPD ist eben nicht allein Olaf Scholz, auch wenn das jetzt so wirken mag. Mit Saskia Esken und Kevin Kühnert könnte es dann schnell einen Linksrutsch der Sozialdemokraten geben.

Auch rot-rot-grün würde irgendwann zum Fait Accompli

Ohne Frage wäre ein solches Links-Bündnis aus Sicht der Marktwirtschaft und des Gewinnstrebens schädlich. Man würde sich fragen, wie wettbewerbsfähig die deutsche Industrie zukünftig noch sein kann, wenn ihr so einige neue Belastungen aufgebürdet würden. Ja, sogar die Frage von Enteignungen bekäme einen realistischen Hintergrund. In Bezug auf die Deutsche Wohnen stimmen die Berliner am Wochenende zusätzlich zur Bundestagswahl über genau diese Frage ab. Allerdings würden die Börsengesetze auch durch diese Regierungskoalition nicht ausgehebelt. Liefe alles darauf hin und würde ein Koalitionsvertrag dieser drei Parteien unterschrieben, dann würde auch dieses Ereignis mit dem Trocknen der Tinte zu einer vollendeten Tatsache. Und so dürften auch in diesem Fall die Kurse nach oben drehen, in der Hoffnung, dass es vielleicht dann doch nicht so schlimm kommt wie gedacht und dass viele Unternehmen ja global operieren und sich gewissen Belastungen auch entziehen könnten. Ich habe in der Vergangenheit solche Situationen immer wieder zum Einstieg genutzt.

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