Corona halbiert Lernzeit der Schüler - "Digitalisierung gefährdet"

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Berlin (Reuters) - Kinder haben sich während der Corona-Krise einer Studie des Ifo-Instituts zufolge nur halb so lange mit der Schule beschäftigt wie sonst.

Die Zeit sank von 7,4 auf 3,6 Stunden pro Tag, geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Münchner Forscher unter 1099 Eltern hervor. Demnach haben 38 Prozent der Schüler höchstens zwei Stunden täglich gelernt, 74 Prozent maximal vier Stunden. Gleichzeitig verbrachten die Kinder und Jugendlichen mehr Zeit mit Fernsehen, Computerspielen und dem Handy: Hier gab es einen Anstieg von 4,0 auf 5,2 Stunden. Vor allem leistungsschwächere Schüler ersetzten Lernen durch passive Tätigkeiten.

"Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass wir unter Beachtung der Schutzmaßnahmen wieder zum normalen Schulunterricht zurückkehren", sagte Ludger Wößmann, der Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik. "Wo Schließungen unvermeidlich sind, sollten die Schulen direkt auf Online-Unterricht umstellen." Politiker diskutieren derzeit, unter welchen Bedingungen der Schulbetrieb nach den Sommerferien wieder aufgenommen werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob Maskenpflicht auch in den Klassen gelten soll.

Ein riesiger Investitionsrückstand gefährdet der staatlichen Förderbank KfW zufolge die Digitalisierung der Schulen. Er sei aktuell auf 44,2 Milliarden Euro gestiegen und liege damit 1,4 Milliarden höher als 2018. Obwohl die Kommunen zuletzt fast zehn Milliarden Euro in die Schulen stecken wollten und damit doppelt so viel wie noch 2015, würden ihre Planungen nicht Schritt halten. Die Gründe für den steigenden Investitionsbedarf seien neben einer regional ungleichen Entwicklung der Schülerzahlen vor allem der zusätzliche Ausbau durch gesetzliche Auflagen und steigende Standards. Notwendige Reparaturen an alten Gebäuden und begrenzte Kapazitäten in Bauwirtschaft und Verwaltung erschwerten es, neue Schulbauprojekte in Angriff zu nehmen. Da wegen der Corona-Rezession die Einnahmen der Kommunen wegbrechen, könnten sich finanzielle Spielräume verengen. "Die Corona-Krise könnte eine traurige Zäsur in der positiven Entwicklung der kommunalen Investitionen im Schulsektor darstellen und für die Schulinfrastruktur zu einer langanhaltenden Belastungsprobe werden", sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. "Fehlende Finanzmittel sind ein Risiko für den notwendigen Schub bei der Digitalisierung der Schulen."

Die Eltern sehen die Entwicklung der vergangenen Monate mit Sorge. 64 Prozent denken, dass ihr Kind während der Corona-Zeit "viel weniger" gelernt hat, so das Ifo-Institut. Gleichzeitig verstärkten sie ihr Engagement: Vor den Schulschließungen verbrachten sie im Durchschnitt eine halbe Stunde pro Tag gemeinsam mit ihrem Kind beim Lernen, während Corona verdoppelte sich dieser Wert auf gut eine Stunde. Gleichzeitig geben 38 Prozent der Eltern an, dass die Situation für ihr Kind oder für sie selbst eine große psychische Belastung brachte. So gaben 28 Prozent an, sie hätten sich mehr mit ihren Kindern gestritten als vorher.

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