Deutschland schaltet wieder in Corona-Krisenmodus

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

(Stellt im zweiten Absatz klar, dass Berlins Bürgermeister Michael Müller SPD-Politiker ist)

- von Andreas Rinke und Holger Hansen

Berlin (Reuters) - Nach mehr als elfstündigen Beratungen haben Bund und Länder eine Verlängerung des Corona-Lockdowns und einen fast völligen Stillstand des öffentlichen Lebens über Ostern beschlossen.

"Wir sind in einer sehr, sehr ernsten Lage", sagte Kanzlerin Angela Merkel am frühen Dienstagmorgen nach Abschluss der Beratungen mit den 16 Ministerpräsidenten. Beschlossen wurden angesichts des raschen Anstiegs der Corona-Fallzahlen in Deutschland auch Zusatzmaßnahmen zu der "Notbremse", die Landkreise einführen sollen, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz wieder über 100 steigt.

In dem Beschluss heißt es warnend, dass die Zahl der Neuinfektionen ohne deutlich einschränkende Maßnahmen so schnell steigen werde, "dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens wahrscheinlich ist". Während Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, man sei weggekommen von dem "Auf-Zu-Auf-Zu"-Verfahren früherer Monate, lobte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass das "Team Vorsicht" in den Beratungen gewonnen habe. "Ganz eindeutig ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen", betonte die Kanzlerin und verwies auf Fortschritte beim Impfen.

Vom 1. bis zum 5. April soll es nun eine "erweiterte Ruhezeit zu Ostern" geben, in der etwa am Gründonnerstag auch die Lebensmittelgeschäfte schließen sollen. Das öffentliche Leben soll weitgehend ruhen, die Kontakte beschränkt werden. Nach Ostern könne man dann erneut über Lockerungen nachdenken, wenn die Zahl der Neuinfektionen dies erlaube, betonte Söder.

FLUGLINIEN MÜSSEN NUN TESTEN VOR RÜCKFLUG

Besonders umstritten war in den Beratungen die Frage der Urlaubsreisen. Im Streit um Mallorca-Urlaube fordern Bund und Länder nun die Fluggesellschaften auf, künftig alle Urlaubsrückkehrer vor dem Rückflug testen. Insbesondere bei beliebten Urlaubszielen sei damit zu rechnen, dass Urlauber aus zahlreichen Ländern zusammentreffen und sich Covid-19 Varianten leicht verbreiten können, heißt es. Zudem soll das Infektionsschutzgesetz so geändert werden, dass eine generelle Testpflicht vor Abflug zur Einreisevoraussetzung bei Flügen nach Deutschland eingeführt wird. Merkel betonte, dass es wegen der geöffneten Hotels auf Mallorca schwierig sei, Reisen dorthin zu verbieten.

Die Küstenländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen verzichteten nach langem Ringen auf den "kontaktarmen Urlaub" im eigenen Bundesland schon an Ostern. Merkel und einige Ministerpräsidenten hatten dies in den Beratungen als falsches Signal kritisiert. Nun appellieren Bund und Länder, auf nicht zwingend notwendige Reisen "im Inland und auch ins Ausland" zu verzichten – auch an den Ostertagen. Man sollte in diesem Jahr nicht reisen, fügte Merkel hinzu.

Vor allem das Infektionsgeschehen prägte die Debatten. "Wir haben eine neue Pandemie", sagte Merkel mit Hinweis auf die aggressiveren Virus-Varianten, die sich durchgesetzt hätten. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am Montag 7709 neue Positiv-Tests verzeichnet - 1105 Fälle mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 107,3 von 103,9 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Positiv-Tests je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen gemeldet wurden. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten in den Krankenhäusern stieg laut Divi-Register auf 3134.

NOTBREMSE WIRD VERSCHÄRFT

Bund und Länder einigten sich zudem auf eine Verschärfung der "Notbremse", falls die Inzidenz wieder über 100 steigt. Dann sollen Öffnungsschritte zurückgenommen werden. Zusätzlich können Landkreise dann weitere Maßnahmen einführen. Dazu zählen etwa verschärfte Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie tagesaktuelle Corona-Tests "in Bereichen, in denen die Einhaltung von Abstandsregeln und konsequente Maskentragung erschwert sind". Allerdings wird dies den Landkreisen freigestellt - auch das umstrittene Wort Ausgangssperre ist nicht mehr enthalten. Länder wie Baden-Württemberg, Thüringen oder Bayern hatten bereits nächtliche Ausgangssperren verhängt, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. In den vergangenen Tagen hatte es Unmut gegeben, dass einige Landkreise trotz sehr hoher Inzidenzen Öffnungsschritte nicht wieder zurücknehmen wollten.

FIRMEN SOLLEN MITARBEITERN ZWEI TESTS PRO WOCHE ANBIETEN

Bund und Länder fordern von den Unternehmen, dass sie Mitarbeiter in den Betrieben zweimal wöchentlich testen. Anfang April werde man sehen, wie viele Unternehmen die Selbstverpflichtung umgesetzt hätten. Auf dieser Grundlage werde die Bundesregierung dann entscheiden, "ob regulatorischer Handlungsbedarf in der Arbeitsschutzverordnung besteht", wird in dem Beschluss gewarnt. Bund und Länder betonen im Entwurf, dass die Firmen auf jeden Fall einen größeren Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten sollten. Vor allem Berlins Regierender Bürgermeister Müller betonte, dass die Firmen in der Pflicht stünden, mehr zu tun.

Zugleich werden zusätzliche Unternehmenshilfen versprochen. "Für die Unternehmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie besonders schwer und über eine sehr lange Zeit von Schließungen betroffen sind, wird die Bundesregierung ein ergänzendes Hilfsinstrument im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben entwickeln", heißt es im Beschluss.

Merkel und die Ministerpräsidenten wollen am 12. April erneut beraten.

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