Die Angst vor Rezession und Crash ist übertrieben

Jessica Schwarzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Krisenszenarien haben Hochkonjunktur an den Märkten: Angst vor einen Handelskrieg, vor einem Konjunktureinbruch, sogar einer Rezession werden gespielt. Wie so oft reagieren Börsianer über.

Crash-Propheten warnen schon seit Monaten von dem Knall. Kein Wunder, qua Definition ist das ja auch ihre Aufgabe. Ihre Argumente: Die Weltwirtschaft kühlt sich merklich ab, es droht eine Rezession. Die Folge: Die jahrelange Rally an den Aktienmärkten wird enden, der Crash kommt. Der Blick auf die Kurstafeln an der Wall Street, in Frankfurt und sonst wo auf der Welt scheint sie zu bestätigen. Der Dax hat seit Jahresbeginn fast 17 Prozent verloren, von seinem Allzeithoch Ende Januar ist er noch ein paar Prozentpunkte weiter entfernt. Der amerikanische S&P 500 ist etwa fünf Prozent im Minus. Die Crash-Propheten fühlen sich bestätigt und ahnen noch Schlimmeres.

Einspruch! Ja, das weltweite Wirtschaftswachstum verlangsamt sich. Aber das ist noch keine Rezession. Nach dem Internationalen Währungsfonds IWF hat zuletzt auch die Industrieländer-Organisation OECD ein schwächeres Wachstum für die Weltwirtschaft prognostiziert. Angesichts zunehmender Handels- und Finanzkrisen schwäche sich die globale Wirtschaftsleistung ab, auf nur mehr jeweils 3,5 Prozent plus in den Jahren 2019 und 2020. In diesem Jahr soll die Weltwirtschaft noch um 3,7 Prozent wachsen. Eine Rezession ist das aber definitiv nicht. Das globale Wachstum ist weiterhin stark, auch wenn es seinen Höhepunkt erreicht hat. Meint übrigens auch die OECD.

Zuletzt mögen nicht alle Konjunkturindikatoren die Erwarten getroffen haben – und damit den Crash-Propheten neue Argumente liefern -, doch kommen auch aus den USA gute Nachrichten. Die Fed von New York beispielsweise schätzt, dass das BIP-Wachstum in diesem und im nächsten Quartal bei 2,4 Prozent liegen wird – weit weg von einer Rezession. Auch der deutschen Wirtschaft droht der Bundesbank zufolge keine deutliche Konjunkturabschwächung. „Nach dem deutlichen Dämpfer im Sommer dürfte die deutsche Wirtschaft im Jahresschlussquartal 2018 wieder merklich expandieren“, schreibt sie in ihrem aktuellen Monatsbericht. Im dritten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt erstmals seit dreieinhalb Jahren geschrumpft - vor allem wegen der Probleme der Autoindustrie. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Experten von einer Rezession. So weit wird es den Bundesbankern zufolge aber nicht kommen.

Natürlich dämpfen weltpolitische Unsicherheiten und wirtschaftliche Abschottung den Konjunkturoptimismus rund um den Globus. Aber ein Dämpfer macht noch keine Rezession. Zumindest im Handelskrieg zwischen den USA und China gab es zuletzt eine Annäherung. Diese Annäherung ist natürlich noch keine Lösung, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Auch das sollte für Entspannung sorgen.

An den Märkten scheint das derzeit völlig unterzugehen. Anleger scheinen nur noch negative Nachrichten wahrzunehmen, zumindest überinterpretieren sie diese. Das Glas ist halb leer und nicht halb voll. Mitunter kommt es mir vor, als ob Investoren geradezu einen Grund suchen, wenn nicht sogar herbeireden, um die Gewinne der vergangenen Jahren mitzunehmen. Immerhin läuft dieser Bullenmarkt schon im zehnten Jahr – einige kräftigere, aber kurzfristige Korrekturen inklusive. Irgendwann muss er ja mal enden.

Nun also die Angst vor dem Crash? Das ist überzogen. Genauso wie die Angst vor einer Rezession. Aber so sind die Märkte nun mal: Sie neigen zu Übertreibung in die eine oder andere Richtung. Und aktuell ist die Stimmung eben schlecht, schlechter als es die Fundamentaldaten eigentlich hergeben. Die Angst vor dem Crash ist einfach zu groß, und Investoren suchen nach Erklärungen für den jüngsten Kursrückgang. Sie machen es sich aber zu einfach.

Und der Crash? Der wird irgendwann kommen. Keine Frage. Und niemand weiß, wann das sein wird. Auch ich nicht. Im Augenblick spricht aber mehr dagegen als dafür. Erste Investoren fahren ihre Aktienquoten auch schon wieder hoch. Eine gute Idee, wie ich finde. Im aktuellen Marktumfeld braucht man dazu allerdings gute Nerven.

Von Jessica Schwarzer

Foto: TierneyMJ / Shutterstock.com

Meistgelesene Artikel