Drei Fragen an Bernecker: Wann wird die Inflation kritisch, warum profitiert Gold noch nicht und Bitcoin schon, welcher Aktien-Sektor ist bei einem Inflationszenario das beste Investment?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In unserer heutigen Ausgabe wollen wir die Inflationsangst an den Märkten näher beleuchten, undzwar wann es kritisch wird, warum Gold nicht von der Sorge am Markt profitiert und welche Aktien-Kategortie der beste Inflationsschutz ist.

onvista-Redaktion: Die Inflationsangst war nach dem schwächeren Arbeitsmarktbericht in den USA Ende letzter Woche nur kurz verschwunden, hat den Dax dann in dieser Woche wieder ordentlich durchgerüttelt. Der Leitindex pendelt weiter zwischen 15.000 und 15.500 Punkten herum. Ist ein Ausbruch darüber dieses Jahr überhaupt realistisch oder wird es unweigerlich nach unten gehen?

Das Gespenst der Inflation ist ein Scheingespenst. Für die Deutschen natürlich von besonderer Bedeutung, weil nur in Deutschland innerhalb von dreißig Jahren schon einmal zwei katastrophale Währungsreformen anstanden. Zum einen 1923 und 1948. Alle Privatanleger verloren dabei ihr Geld. Das wirkt nach. Wichtig ist aber: Jeder Konjunkturzyklus beginnt immer von einem Null- oder Tiefpunkt aus, mit einer erkennbaren Teuerungswelle sowohl auf der Erzeugerebene als auch der Verbraucherebene. Darin steckt die Dynamik der wirtschaftlichen Erholung. Erst oberhalb von 4 - 5 % wird es dann tatsächlich bedenklich. In diesem Falle greift jede Notenbank zur Notbremse, indem sie die kurzen Zinsen drastisch/dramatisch anhebt. Soweit sind wir weder in den USA noch in Europa.

onvista-Redaktion: Während die Inflationsangst wieder Thema ist, kann Gold trotzdem nicht wirklich davon profitieren und notiert noch weit von den Rekordhochs aus dem letzten Jahr entfernt. Warum ist das so? Ist Bitcoin als alternativer Wertspeicher doch zu interessant geworden?

Die gern verwendete Gleichung, wonach Inflation den Goldpreis begünstigt, ist nicht schlüssig nachzuweisen. Die Kriterien des Goldpreises sind anders definiert. Richtig ist, dass Gold stets eine Art Rettungsanker für Geldanlagen war, wobei vor allem politische Risiken die größere Rolle spielten. Jedenfalls kommt vom Inflationstrend her vorerst kein Impuls für den Goldpreis. Auch eine gedankliche Brücke zum Bitcoin lässt sich nicht realistisch begründen. Die alte Rechnung bleibt gültig, steht aber im Hintergrund: Der Wert aller Goldbestände in der Welt wird zurzeit mit rd. 200.000 Tonnen angegeben (9.000 Tonnen davon übrigens in deutschen Privathänden). Der Wert dieses Goldbestandes erreicht zurzeit etwa 3,5 - 4 % des Wertes aller liquiden Assets, also Aktien. Im Normalfall waren es rückblickend stets Größenordnungen zwischen 7 und 8 %. Wann wird diese Bewertungslücke geschlossen? Dann, wenn die Asset-Preise zu hoch erscheinen. Diese Korrektur beginnt mit steigenden Zinsen. Also bedarf es der Geduld.

Bitcoin ist ein eigenes Thema als eigenständiges Medium und hier bildet sich eine alternative Währung langsam auf. Bis Bitcoin eine solche Währung ist, braucht es sehr viel Zeit. Mindestens so lange, bis Bitcoin allseits für den Geldverkehr akzeptiert und genutzt wird. So weit ist Bitcoin noch nicht, aber der Weg dahin erscheint logisch. Deshalb kann man Bitcoin nicht beiseitelegen, sondern muss mindestens mitfahren können.

onvista-Redaktion: Wenn es für ein Investment unbedingt Aktien sein sollen, man aber trotzdem Sorge vor dem Inflationsszenario hat, welchen Sektor würden Sie als den geeignetsten dafür ansehen?

Die Brücke zwischen Inflation und Aktientrends ist nicht sehr eng gespannt. Abgesehen von den üblichen Gefühlen und Meinungsäußerungen gilt: Jede Aktie ist so viel wert, wie ein Unternehmen im Zuge der Wirtschaftsentwicklung leistet. Für Unternehmen, die brav produzieren, aber ansonsten keine neuen Ideen entwickeln, sei es für Produkte oder Marktanteile, ist die Inflation ein Bremsfaktor oder sogar eine relative Abwertung. Unternehmen, die mit innovativen Produkten deutlich stärker wachsen als der Markt, bieten die Alternative dafür, dass ihre Ergebnisse deutlich besser ausfallen, als das Umfeld und die Inflation definieren. Man kann es auch eine besondere Wachstumsprämie nennen. In einem 2-% – Inflationsumfeld ist derjenige Favorit, der in seinen Wachstumskriterien mindestens das Doppelte oder Dreifache erreicht. Wer dagegen auf der Stelle tritt, verliert. Deshalb ist Inflation in der gegenwärtigen Situation der Aufholjagden ein Treiber und kein Bremser. Allein die Preisüberwälzungseffekte in allen Sektoren zeigen dies deutlich. Die Sektor-Differenzierung gehört dazu. Am Beispiel der letzten Wochen: Chips waren das große Thema und haben ihren Gipfel erreicht. Zurzeit explodieren alle Rohstoffpreise und erreichen in Kürze ebenfalls ihren Gipfel. Vorher waren die Autos dran, die mehr als 100 % in 12 Monaten zulegten. Das war’s ebenfalls. Also: Es wird demnächst mehrere gesonderte Sektoren geben, in denen solche Explosionen der Perspektiven entstehen. Zum Beispiel Klima, Technik oder KI etc. Darin liegen die neuen dynamischen Investmentfelder.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

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