EU-Anhänger demonstrieren in Polen - "Brexit kann auch hier passieren"

Reuters · Uhr

Warschau (Reuters) - Die Sorge vor einem EU-Austritt Polens hat in Warschau und anderen Städten des Landes am Sonntag mehr als 100.000 Menschen auf die Straßen getrieben.

Allein in der Hauptstadt demonstrierten nach Angaben der Veranstalter 80.000 bis 100.000 Menschen gegen den Konflikt von Regierung und Verfassungsgericht mit EU-Institutionen und für einen Verbleib des Landes in der Staatengemeinschaft. "Wir bleiben", skandierten die Demonstranten und schwenkten die Flaggen Polens und der EU. Ähnliche Proteste fanden in mehr als 100 Städten und Gemeinden statt.

Auf der Kundgebung in Warschau sprach unter anderem der ehemalige Ministerpräsident und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Wir wissen, warum sie die EU verlassen wollen", sagte Tusk, der die liberal-konservative Partei Bürgerplattform führt. "Damit sie ungestraft demokratische Regeln verletzen können." Er verlieh damit Befürchtungen von Demonstranten wie dem 59- jährigen Janusz Kuczynski Ausdruck. "Genauso wie der Brexit plötzlich Realität wurde, was niemand erwartet hatte, kann hier das gleiche passieren", sagte Kuczynski.

Polen steht seit längerem in der Kritik der EU-Kommission und anderer Mitgliedsstaaten, es verletzte demokratische Rechte sowie Regeln der Gemeinschaft. Das Verfassungsgericht hatte zuletzt geurteilt, dass der EU-Vertrag der polnischen Verfassung untergeordnet sei. Die national-konservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sieht sich dadurch in ihrer Position bestätigt, dass EU-Recht nicht über dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten stehe. Die PiS betonte zugleich, es gebe keine Pläne für einen EU-Austritt des Landes, für den bereits der Begriff "Polexit" geprägt wurde.

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