EZB: Abwarten und Tee trinken oder weitere Entlastungen für die Banken?

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Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre lockere Geldpolitik auf ihrer Sitzung an diesem Donnerstag voraussichtlich bestätigen. Ökonomen erwarten, dass die Notenbank zunächst die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen beobachtet. Mit Spannung erwartet werden jedoch die neuen Projektionen der EZB. Zudem stellt sich die Frage, ob Notenbankchefin Christine Lagarde auf die geänderte geldpolitische Strategie der US-Notenbank Fed eingehen wird.

Eine Änderung der Geldpolitik erwartet bei dieser Sitzung kaum ein Ökonom. Die EZB hatte in der Krise eine Reihe von Maßnahmen ergriffen um die Konjunktur zu stützen. Ein Kernstück ihrer Krisenpolitik ist das Krisenanleihekaufprogramm PEPP. Auf ihrer Zinssitzung Anfang Juni wurde das Programm von 750 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro ausgeweitet. Ein zweiter Hauptbestandteil des Pakets sind sehr günstige Langfristkredite (TLTRO III) an die Geschäftsbanken, die sich bereits reichlich damit eingedeckt haben. Der Leitzins liegt weiterhin bei Null Prozent. Der Einlagensatz, zu dem Banken bei der EZB überschüssiges Geld parken, beträgt minus 0,5 Prozent.

Allerdings könnte sich die EZB etwas weniger pessimistisch für die wirtschaftliche Entwicklung zeigen. Einige Analysten erwarten, dass die Notenbank ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr etwas anheben könnte, weil der wirtschaftliche Einbruch durch die Corona-Krise etwas weniger drastisch ausfalle. Ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg scheint diese Sichtweise zu bestätigen: Die EZB dürfte etwas optimistischer auf die wirtschaftliche Entwicklung blicken, berichtet die Agentur am Mittwoch mit Bezug auf informierte Personen. Allerdings werde die Konjunkturprojektion nur leicht angehoben, hieß es.

Auf ihrer letzten Sitzung Mitte Juli hatte die EZB eine abwartende Haltung an den Tag gelegt. „Wenn sich der EZB-Rat nach der Sommerpause wieder trifft, wird vermutlich beschlossen, die weiteren Entwicklungen abzuwarten, sagte Ulf Krauss, Volkswirt bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). „Mit Entwicklungen sind dabei der Verlauf der Pandemie, Konjunktur und Inflation sowie die Bewegungen an den Finanzmärkten gemeint.“ Die Notenbank dürfte sich daher laut Krauss stärker auf ihr Hauptziel konzentrieren: die Erhaltung der Preisstabilität.

Tatsächlich sind die Verbraucherpreise im August um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gefallen. Die EZB strebt hingegen auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Die Kernrate der Inflation (ohne schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise) fiel auf den historischen Tiefstand von 0,4 Prozent. Beobachter fürchten aber noch keine Deflation. Sie verweisen auf Sonderfaktoren wie die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland. Auch das zuletzt hohe Wachstum der eng gefassten Geldmenge M1 spreche gegen eine Deflation.

Ein großes Risiko für die Geldpolitik bleibt aber die Entwicklung der Corona-Pandemie. So sind die Infektionszahlen in Ländern wie Spanien und Frankreich zuletzt wieder deutlich gestiegen. Dies könnte auch die wirtschaftliche Erholung in den kommenden Monaten belasten. „Daher ist eine Aufstockung und Verlängerung des PEPP nur aufgeschoben, nicht aufgehoben“, kommentierte Ulrike Kastens, Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS. „Spätestens zum Jahreswechsel dürfte jedoch geliefert werden, womit alles beim Alten bleibt: Die EZB bleibt weiter ihrem expansiven Kurs treu.“

Einige EZB-Beobachter können sich jedoch vorstellen, dass die Notenbank für zusätzliche Entlastung bei den Banken sorgt. Derzeit müssen die Banken das sechsfache ihrer Mindestreserve nicht mit dem negativen Einlagensatz bezahlen (Tiering). Dieser Satz könnte angehoben werden. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte zuletzt die Negativzinspolitik verteidigt und betont, dass die Auswirkungen auf die Gewinne der Banken bisher gering gewesen seien. Sie warnte aber auch, dass die Nebenwirkungen des negativen Einlagenzinses mit der Zeit zunehmen könnten. Eine Änderung scheint daher auf dieser oder einer der nächsten Sitzungen nicht ausgeschlossen zu sein.

Die Finanzmärkte zeigten sich angesichts der Corona-Krise auch dank der Unterstützung durch die Notenbank insgesamt robust. Laut einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Bericht der „Financial Times“ sieht die EZB aber die Euro-Aufwertung kritisch. Die Preisentwicklung und die Ausfuhren könnten belastet werden. Auch Chefvolkswirt Philip Lane hatte die Aufwertung thematisiert und den Wechselkurs als „wichtig“ bezeichnet.

Nachdem die US-Notenbank jüngst ihre Strategie geändert hat, wird zudem gespannt auf die Kommentare aus der EZB gewartet. Die Fed hat vor zwei Wochen eine neue Strategie verkündet, die sie als „flexibles durchschnittliches Inflationsziel“ ausgibt. Die Fed will jetzt im Durchschnitt eine Inflationsrate von zwei Prozent erreichen. Daher soll eine Inflationsrate von „moderat“ über dem Zielwert akzeptiert werden, wenn die Teuerungsrate längere Zeit darunter gelegen hat.

Auch die EZB will ihre geldpolitische Strategie überarbeiten. Experten erwarten noch keine konkreten Aussagen zur künftigen Ausrichtung. Die Notenbank könnte jedoch noch eher geneigt sein, eine Verlängerung der bisherigen sehr expansiven Politik zu signalisieren.

Redaktion onvista / dpa-AFX

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