EZB läutet Ende der Anleihenkäufe ein – türkische Währungshüter bieten Erdogan die Stirn

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Die Notenbanken haben gesprochen. Nach den englischen und türkischen Währungshütern hat jetzt die europäische Zentralbank ihr Ergebnis verkündet. Wie erwartet werden die Anleihenkäufe ab Oktober auf monatlich 15 Milliarden Euro reduziert. Zudem stellt Mario Draghi in Aussicht, dass sie ab Dezember 2018 komplett eingestellt werden. Die berühmt berüchtigte Hintertür ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Damit neigt sich der Anti-Krisen-Kurs der Europäischen Zentralbank langsam seinem Ende zu. Die Entscheidungen des EZB-Rates vom Donnerstag in Frankfurt zementieren aber zugleich ein Andauern der Phase extrem niedriger Zinsen: Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent, zudem müssen Geschäftsbanken weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.

Eine Wende hin zu höheren Zinsen wollen die Währungshüter frühestens im Herbst 2019 einläuten. Der EZB-Rat bekräftigte seine Einschätzung, dass die Zinsen bis „mindestens über den Sommer 2019“ auf dem aktuellen Niveau bleiben werden.

Volkswirte rechnen damit, dass die EZB dann zunächst die Strafzinsen für Kreditinstitute verringern wird. Sparer dürften auf eine erste Zinserhöhung noch länger warten müssen. Andererseits profitieren Kreditnehmer somit weiterhin von relativ guten Konditionen.

An den Anleihenmärkten wird die EZB auch dann noch ein gewichtiger Marktteilnehmer bleiben, wenn sie keine neuen Papiere mehr erwirbt: Gelder aus auslaufenden Anleihen will sie wieder investieren. Seit Beginn des Programms im März 2015 bis Ende August 2018 hat die EZB Wertpapiere im Gesamtwert von gut 2,5 Billionen Euro gekauft. Ziel ist, auf diesem Weg der Konjunktur in den 19 Euroländern auf die Sprünge zu helfen und zugleich die Teuerung anzuheizen.

Im August lagen die Verbraucherpreise im Euroraum nach Zahlen des Statistikamtes Eurostat um 2,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Mittelfristig strebt die EZB Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Das ist weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, Investitionen aufzuschieben- das könnte die Konjunktur abwürgen.

Seit dem Frühjahr wird dieses Inflationsziel wieder erreicht, nachdem es jahrelang verfehlt worden war. Die jüngste Entwicklung ist ein Grund mehr für die EZB, ihre Geldpolitik nach Jahren im Krisenmodus allmählich zu normalisieren – ungeachtet von Handelskonflikten, die die Risiken für die Weltwirtschaft wieder zunehmen lassen.

Ungewiss bleibt, ob EZB-Präsident Mario Draghi zum Ende seiner achtjährigen Amtszeit im Herbst 2019 noch die erste Zinserhöhung in Kraft setzen wird oder das seinem Nachfolger überlässt. Die Chancen, dass Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als erster Deutscher auf dem EZB-Chefsessel Platz nehmen wird, scheinen sich angesichts des politischen Postenpokers in Europa verschlechtert zu haben.

Türkische Notenbank beweist Mut

Noch kurz vor der Entscheidung der türkischen Notenbank hatte Recep Tayyip Erdogan die Währungshüter unter Druck gesetzt und niedrigere Zinsen gefordert. Mit seinen Äußerungen schickte der türkische Staatschef die Landeswährung mal wieder auf Talfahrt. Mittlerweile legt die türkische Lira aber wieder zu. Die heimische Notenbank hat sich von Erdogans Forderungen nämlich nicht beeindrucken lassen.

Die Währungshüter am Bosporus haben im Kampf gegen die Lira-Krise und die hohe Inflation in der Türkei ihren Leitzins überraschend stark angehoben. Der Zins für einwöchiges Notenbankgeld werde von 17,75 auf 24,00 Prozent erhöht, teilte die Zentralbank in Ankara mit. Experten hatten zwar mit einer deutlichen Anhebung gerechnet. Die Erwartungen der meisten Analysten wurden aber nun noch übertroffen. Die türkische Lira legte nach der Entscheidung deutlich zu.

Nichts Neues von der Bank of England

Die Londoner Pfund-Wächter haben beschlossen, den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bei 0,75 Prozent zu belassen. Die Entscheidung fiel einstimmig. Die Währungshüter hatten den Satz Anfang August auf dieses Niveau angehoben, das höchste Niveau seit fast einem Jahrzehnt. Die Bank von England kämpft gegen die im Sog der Brexit-Entscheidung von 2016 steigenden Verbraucherpreise. Diese hatten im Juli um 2,5 Prozent zum Vorjahr anzogen. Die Inflation liegt bereits seit Monaten über der Zielmarke der Notenbank von zwei Prozent.

Für den Preisauftrieb auf der Insel sorgt insbesondere der Kursverlust des Pfund. Dadurch verteuern sich die Importe, was die Kaufkraft der Verbraucher schmälert. Großbritannien will die Europäische Union Ende März 2019 verlassen. Immer noch ist nicht klar, wie die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU künftig aussehen werden. Am Dienstag wurde bekannt, dass Notenbank-Chef Mark Carney wegen des bevorstehenden EU-Austritts noch bis Ende Januar 2020 und damit sieben Monate länger im Amt bleibt. Inmitten der stockenden Brexit-Verhandlungen hätte sich die Suche nach einem Nachfolger schwierig gestalten können.

DAX zeigt sich erfreut

Nach der Entscheidung der türkischen Notenbank ist der deutsche Leitindex auf ein neues Tageshoch geklettert. Die Neuigkeiten der EZB sind hingegen keine großen Neuigkeiten und schieben den Dax nicht weiter an.

Onvista /dpaAFX

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