HelloFresh: Ein MDax-Konzern zum genießen – wie viel Potenzial steckt noch in der Aktie?

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Im November feiert der Versender von Kochboxen sein 10-jähriges Firmenjubiläum. Im Gegensatz zu vielen anderen Start-Ups hat sich HelloFresh in dieser Zeit zu einem Star in der Dax-Familie gemausert. Dabei war der Sprung auf das Parkett für die Berliner alles andere als einfach. Der erste anvisierte Termin im November 2015 wurde wegen zu hoher  Marktvolatilität verschoben. Etwa zwei Jahre später war es dann so weit. Mit einem Ausgabepreis von 10,25 Euro startet das Abenteuer Börse. Am Ersten Tag konnte die Aktie sogar leicht zulegen. Heute würde sich so mancher Anleger wünschen er hätte zugegriffen und wäre dabei geblieben. Aktuell steht der Kurs bei etwas mehr als 82,50 Euro.

Hello Fresh hat den etwas holprigen Start hinter sich gelassen, ist mittlerweile profitabel und hat unter Beweis gestellt, dass es auch bei abflachenden Corona-Pandemie weiter wächst. Mit einer Markkapitalisierung von 14,3 Milliarden Euro könnte die Erfolgsgeschichte von HelloFresh sogar noch im deutschen Leitindex enden.

HelloFresh wächst weiter

Auch nach dem Corona-Jahr 2020 ist es den Berlinern gelungen  weiter seine Umsätze zu steigern, neue Kunden an sich zu binden und auch mehr Geld zu verdienen. Denn es versteht sich nicht von selbst, dass das Unternehmen, welches sein Geld damit verdient, Kochboxen zu Menschen nach Hause zu schicken, auch 2021 weiter wächst. Schließlich wurden die Corona-Maßnahmen in den vergangenen Monaten gelockert, die Menschen bleiben seltener in den eigenen vier Wänden und auch Restaurantbesuche sind möglich.

Besonders beliebt in den USA

Doch das Unternehmen konnte sich vor allem in den Vereinigten Staaten, seinem größten Markt, beim Umsatz und operativen Ergebnis verglichen mit dem Segment „International“, in dem alle andere Märkte zusammengefasst sind, besser entwickeln. Auch die Parameter aktive Kunden, Bestellungen und gelieferte Mahlzeiten vergrößerten sich in den USA stärker als im Rest der Welt. Die Bestellungen pro Kunde und der Wert der Bestellungen sind allerdings in beiden Märkten leicht rückläufig.

Für das weitere Wachstum setzt Konzernchef Dominik Richter deshalb auch auf Werbung und Gutscheine. Zwar betont das Unternehmen, dass der Anstieg der Marketingkosten im ersten Halbjahr auf das vergleichsweise niedrige Niveau im Vorjahreszeitraum zurückzuführen sei. Denn in der Pandemie, als viele Menschen zu Hause blieben, wollte Hellofresh zunächst seine Bestandskunden bedienen und hatte daher keine Kapazität mehr für Neukunden. Dementsprechend sei weniger ausgegeben worden.

Doch ein Blick in die Bilanz zeigt, dass die Marketingausgaben auch im Vergleich mit denen aus dem ersten Halbjahr 2019, deutlich erhöht sind. Während Hellofresh vor zwei Jahren noch 225 Millionen Euro ausgab, liegt der Wert nun bei rund 430 Millionen. Relativ gesehen machen die Marketingausgaben nun aber weniger vom Umsatz aus.

Solange die Marketingkosten nicht Überhand nehmen, sollte der Konzern seine Ziele weiter verfolgen können. Am Dienstag erst hatte Richter verkündet, weiter an seiner Mittelfristprognose, den Umsatz auf zehn Milliarden Euro steigern zu wollen, festzuhalten. Dabei helfen sollen weitere Expansionen wie zuletzt nach Norwegen oder der Zukauf des australischen Fertigessensanbieters Youfoodz.

Unklar bleibt hingegen, wann Hellofresh nach Italien und Japan expandieren will. Vor allem letzteres dürfte eine besondere Probe werden: Bislang hatte sich der Konzern nur auf westliche Ländern konzentriert und konnte dabei aufgrund der ähnlichen Kulturen nacheinander aufbauen. Doch in Japan gibt es üblicherweise eben kein Sauerteigbrot zum Frühstück, ebenso wenig wie Caesar-Salad-Wraps zum Mittag oder Flammkuchen abends normalerweise serviert werden.

Aktie ist und bleibt ein Renner

Mit einem Plus von etwas mehr als 260 Prozent seit Ende Januar 2020, also vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, ist das Hellofresh-Papier der größte Gewinner der Krise unter den deutschen Standardwerten. Kein anderes Papier aus dem Dax oder MDax hat seitdem mehr zugelegt.

Doch nach dem Anfang Juli erreichten Rekord von 89,10 Euro ist die Luft für das Papier in den letzten Wochen dünner geworden. Die Investoren warten auf Signale, ob das Unternehmen den Wachstumskurs fortsetzen kann – und achten dabei auch auf die Profitabilität. So reagierten Anleger verschreckt auf das gesenkte Margenziel vor rund einer Woche, auch wenn die Umsatzprognose erhöht wurde und die Eckdaten für das zweite Quartal die Wachstumsgeschichte untermauerten.

Doch der Schreck hielt nicht allzu lange an. Die detaillierten Zahlen zum ersten Halbjahr sowie die Analystenkonferenz haben die Investoren beruhigt. Inzwischen ist die Kursdelle wieder mehr als ausgebügelt und das Papier liegt mit knapp 82 Euro wieder rund zehn Euro über dem zwischenzeitlichen Tief nach der gesenkten Margenprognose. Bis zum Rekordhoch fehlen aber noch fast zehn Prozent.

Im bisherigen Jahresverlauf fällt das Kursplus mit knapp 30 Prozent vergleichsweise bescheiden aus, auch wenn das Papier damit mal wieder zu den größten Gewinnern im MDax zählt. Seit dem holprig verlaufenen Börsengang im November 2017 stieg der Börsenwert des Konzerns um fast 700 Prozent auf etwas mehr als 14 Milliarden Euro – so richtig Schwung kam in die Aktie Mitte 2019. Bis dahin pendelte sie um den Ausgabepreis von 10,25 Euro. Bis zur Corona-Krise verdoppelte sich dann der Kurs auf ein Niveau von rund 20 Euro. Die Pandemie und der damit verbundene Boom von Produkten, die zuhause konsumierte werden, löste den Höhenflug aus. So stieg die Aktie im Frühjahr 2020 in den MDax auf – jetzt steht das Papier vor dem Dax-Aufstieg, wenn der deutsche Leitindex im September von 30 auf 40 Werte erweitert wird.

Analysten sehen weiteres Potenzial

Die meisten der elf von dpa-AFX erfassten Analysten sehen bei Hellofresh trotz der Kursgewinne in der Corona-Krise noch Potenzial. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 89 Euro, wobei die mit 52,65 Euro pessimistischste Schätzung des US-Analysehauses Bernstein Research den Schnitt drückt.

Analyst William Woods sieht vor allem bei der Profitabilität seine Erwartungen verfehlt. Mit Blick auf Überkapazitäten und eine Normalisierung der Nachfrage hinterließe zudem die gesenkte Prognose der operativen Ergebnismarge Fragezeichen bei ihm. Das Geschäftsmodell bezeichnete er als „schwierig“ und empfiehlt deshalb als einziger, die Aktie zu verkaufen.

Die Pessimisten lägen bislang falsch, schrieb Analystin Sarah Simon von der Privatbank Berenberg. Allerdings muss auch sie, genau wie Kollege Marcus Diebel von JPMorgan, zugeben, dass das schwächere Profitabilitätsprofil nicht besonders hilfreich sei.

Jefferies-Analyst Sebastian Patulea argumentierte hingegen, dass die etwas nach unten korrigierten Margenziele den Markt nicht weiter stören sollten, da sie im Zusammenhang mit Wachstumsinvestitionen stünden.

Die Mehrheit der Kursziele befindet sich über dem aktuellen Aktienkurs von rund 82 Euro. Abgesehen von der Verkaufs-Empfehlung von Bernstein Research, raten sieben Analysten zum Kaufen der Papiere, drei zum Halten der Aktien.

Mit Blick auf das von Konzernchef Richter ausgerufene mittelfristige Ziel müssen sich die Investoren nach Einschätzung der Experten noch etwas gedulden. Die derzeit bei Bloomberg erfassten Experten rechnen damit, dass beim Umsatz die Marke von zehn Milliarden Euro 2026 geknackt wird.

Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebitda) soll dann bei rund 1,4 Milliarden Euro liegen. 2020 setzte Hellofresh etwas mehr als 3,7 Milliarden um und verdiente dabei operativ rund eine halbe Milliarde Euro.

Kein Schnäppchen mehr, aber noch eine Gelegenheit

Mit einem geschätzten KGV von 42 für das laufende Geschäftsjahr ist die Aktie sicherlich kein Schnäppchen mehr. Aber die hohen Wachstumsraten die HelloFresh präsentiert, die kluge Expansion in neue Märkte und die Steigerung der Profitabilität rechtfertigen ein KVG in dieser Höhe. Zudem könnte ein Aufstieg in den Dax die Aktie weiter beflügeln. Aus diesem Grund sollten Anleger die Aktie an schwachen Tagen immer im Auge behalten und die Chance suchen.

Von Markus Weingran mit Material von dpa-AFX

Foto: Dafinchi / Shutterstock.com

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