Industrie und Dienstleister verleihen Euro-Wirtschaft mehr Dynamik

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Berlin (Reuters) - Die Wirtschaft in der Euro-Zone nimmt weiter Fahrt auf. Der Einkaufsmanagerindex - der Industrie und Dienstleister zusammenfasst - stieg im April überraschend auf 53,7 Punkte von 53,2 Zählern im Vormonat, wie das Institut IHS Markit am Freitag zu seiner monatlichen Umfrage unter Tausenden Firmen mitteilte.

Das Barometer liegt damit klar über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die Konjunktur im Währungsraum habe den verschärften Eindämmungsmaßnahmen wegen der neuen Infektionswelle getrotzt, sagte IHS-Chefökonom Chris Williamson. "Obwohl der Dienstleistungssektor abermals massiv unter den Lockdowns zu leiden hatte, kehrte er im April auf den Wachstumspfad zurück." Denn mehr und mehr Unternehmen passten sich an ein Leben mit dem Virus an und bereiteten sich auf bessere Zeiten vor.

"In der Industrie hält der Boom nach erneuten Rekordzuwächsen bei Produktion und Neuaufträgen unterdessen an." Mit dazu beigetragen hätten starker Nachholbedarf, Lageraufbau, Investitionen in neue Maschinen und mehr Optimismus. "Die enorme Nachfrage nach Rohstoffen sorgte abermals für nie dagewesene Lieferverzögerungen und Engpässe, die wiederum die Kosten der Unternehmen so kräftig steigen ließen wie seit zehn Jahren nicht mehr", erklärte Williamson. Commerzbank-Analyst Christoph Weil geht davon aus, dass die Umfrage die echte Entwicklung zu positiv darstelle: "Die Erholung der Industrieproduktion wird aktuell durch Lieferengpässe bei Vorprodukten gebremst, und die Dienstleistungen leiden weiter unter den Corona-Beschränkungen." Das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum dürfte laut Weil im ersten Quartal zum Ende 2020 um ein Prozent geschrumpft sein.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) stellte in einer Umfrage fest, dass Engpässe in der Versorgung mit wichtigen Vorprodukten viele Industriebetriebe behindern. Trotz starkem Neugeschäft seien die Aktivitäten zum Teil sogar gebremst worden, teilte die EZB mit. Zuletzt habe es Engpässe bei Halbleitern sowie bei Metallen, Chemikalien und Plastik gegeben.

BRITISCHE WIRTSCHAFT WÄCHST SO STARK WIE ZULETZT 2013

Während der Markit-Teilindex allein für die Industrie um 0,8 auf 63,3 Punkte kletterte, stieg das Barometer für die Service-Branche um 0,7 auf 50,3 Zähler. In Deutschland läuft es im Verarbeitenden Gewerbe weiter rund, während die Service-Branche unter dem Lockdown ächzt. "Die dritte Pandemie-Welle hat verhindert, dass es mit dem deutschen Dienstleistungssektor im April weiter aufwärts geht", erklärte Markit-Ökonom Phil Smith. Das Geschäftswachstum sei wieder zum Erliegen gekommen. "Die Industrie boomte hingegen weiter, doch hier begrenzten Lieferprobleme das Wachstum", sagte Smith. Das Gesamtbarometer für Deutschland sank um 1,3 auf 56 Punkte.

Die Aufhebung von Corona-Beschränkungen angesichts rascher Impffortschritte beschert derweil Großbritannien das kräftigste Wachstum seit rund siebeneinhalb Jahren. Der Markit-Index für die Privatwirtschaft kletterte um 3,6 auf 60,0 Punkte. "Die Unternehmen berichten von einem Nachfrageschub nach Gütern und Dienstleistungen, da sich die Wirtschaft von den Lockdowns erholt und die ermutigende Einführung von Impfstoffen zu einem besseren Ausblick beiträgt", sagte Williamson. In der mehr als 23-jährigen Umfragegeschichte habe es nur einmal ein schnelleres Wachstum gegeben - "nämlich zwischen August und November 2013".

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