Journalist Yücel in Türkei in Abwesenheit zu Haftstrafe verurteilt
Istanbul (Reuters) - Ein Gericht in Istanbul hat den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel wegen Terror-Propaganda zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
In Abwesenheit erhielt Yücel am Donnerstag eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, wie sein Anwalt Veysel Ok sagte. Freigesprochen wurde er vom Vorwurf der Propaganda für die Gülen-Bewegung, die Präsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch 2016 verantwortlich macht. Yücel selbst schrieb in der "Welt", dass weitere Verfahren gegen ihn betrieben würden: Zum einen wegen eines Witzes über Kurden und Türken, zum anderen wegen des Begriffs "Völkermord an den Armeniern". Die Türkei bestreitet einen solchen Genozid zu Anfang des letzten Jahrhunderts an der Minderheit. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" kritisierte das Urteil scharf: Yücel sei unschuldig und habe nur seine Arbeit als Journalist gemacht.
Der Vorwurf der Terrorismus-Propaganda bezieht sich auf eine angebliche Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die auch in Deutschland als Terrororganisation verboten ist. Yücel verwies darauf, dass das oberste Verfassungsgericht der Türkei seine Artikel bereits im Rahmen der Meinungsfreiheit akzeptiert hatte. Dass ein unteres Gericht ihn nun dennoch verurteilt habe, zeigten den Zustand der Rechtsstaatlichkeit im Land. Dieser sei erbärmlich.
Der Fall hatte zu erheblichen diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei geführt. Yücel war im Februar 2018 nach über einjähriger Haft ohne Anklageschrift aus einem Istanbuler Gefängnis entlassen worden und nach Deutschland ausgereist.
Die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Sevim Dagdelen, sprach von einem schwarzen Tag für die Pressefreiheit. "Das Erdogan-Regime hat die Türkei in ein offenes Gefängnis verwandelt, in dem Journalisten und Oppositionelle eingesperrt und die Zivilgesellschaft mundtot gemacht werden soll", sagte die Linken-Politikerin.
Die Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth, forderte die Bundesregierung zu mehr wirtschaftlichem und politischem Druck auf die Türkei auf. "Die Reste der Pressefreiheit sitzen vollends hinter Gittern, jede legitime Kritik wird kriminalisiert", sagte die Grünen-Politikerin der "Augsburger Allgemeinen".