Kim Jong Un und die Scheinwahl

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Ein Kandidat pro Wahlkreis und 100 Prozent Zustimmung: Für das kommunistische Regime in Nordkorea sind Parlamentswahlen eine sichere Sache. Kein Zweifel besteht auch diesmal wieder, dass die von der herrschenden Arbeiterpartei ausgewählten Kandidaten das Ja der Wähler erhalten, wenn am Sonntag die fast 700 Deputierten der 13. Obersten Volksversammlung gewählt werden. Alle Kandidaten seien ernannt und registriert worden, berichteten die Staatsmedien des Landes diese Woche.

Doch weniger der Ausgang des im Ausland als Farce beschriebenen Wahlgangs ist interessant. In der Volksversammlung würden Beschlüsse des Regimes de facto abgenickt, sagt ein Kommentator. „Trotzdem ist interessant, wer da abnickt.“ Besonders in Südkorea erhofft man sich Hinweise auf eventuelle Veränderungen im Machtgefüge.

Allerdings warnt der Experte Park Hyeong Jung vom Koreanischen Institut für Nationale Vereinigung (KINU) in Seoul davor, zu viel hineinzuinterpretieren: „Viele wichtige Funktionäre haben keine Position in der Obersten Volksversammlung.“ Jedoch werde man anhand der neuen Abgeordnetenliste vielleicht erkennen können, wen die jüngsten Säuberungen im Nachbarland getroffen hätten. Wichtiger sei die für Anfang April erwartete konstituierende Sitzung der neuen Versammlung, wenn die Deputierten die Besetzung wichtiger Regierungspositionen bestätigen, sagt Park.

Einig sind sich Beobachter in der Einschätzung, dass der junge Machthaber Kim Jong Jun seine Stellung durch die Wahl konsolidieren will. Die offiziell alle fünf Jahre gewählte Volksversammlung ist kein Parlament im klassischen Sinn.

Zwar ist sie nominell das höchste Machtorgan, doch treten die Deputierten in der Regel nur ein- oder zweimal jährlich zusammen, um den Haushaltsplan zu verabschieden und sich mit politischen Leitlinien zu befassen. Bei der Wahl 2009 lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben bei 99,98 Prozent.

Es sind die ersten Wahlen seit Beginn von Kims Herrschaft

Es sind die ersten Wahlen seit Beginn von Kims Herrschaft vor mehr als zwei Jahren. Seit dem Tod seines Vaters Kim Jong Il im Dezember 2011 führt er in dritter Generation die Macht-Dynastie der Familie fort. Seitdem stellt man sich im Ausland die Frage, ob der Sohn, der nach abweichenden Angaben erst 30 oder 31 Jahre ist, die Macht fest in der Hand hält.

„Kim Jong Un hat eine Koalition geschaffen, die auf Parteimitglieder zentriert ist, er hat das Militär diszipliniert und einen Generationswechsel vorgenommen“, schreibt der Forscher Park Young Ja vom Zentrum für Nordkorea-Studien von KINU.

Mit der Wahl demonstriert Nordkorea auch ein Stück weit Normalität. In den vergangenen Monaten sorgten besonders politische Säuberungen für Unruhe. Höhepunkt war Ende des vergangenen Jahres die Hinrichtung von Kims Onkel Jang Song Thaek, der lange Zeit als die graue Eminenz des Regimes gegolten hatte. Jang war mit einer Schwester von Kim Jong Il verheiratet.

Seit der spektakulären Hinrichtung gibt es zwei Theorien. Die eine besagt, dass Kim stärker geworden sei, weil er sich des Prinzregenten entledigt und sich damit quasi freie Hand geschaffen habe. Eine andere Lesart ist jedoch, dass die Hinrichtung auch die Schwächen Kims und seines Regime offenbart habe. Südkoreas Regierung warnte jedenfalls vor der Gefahr einer größeren Instabilität im Nachbarland.

Die Ankündigung der Wahl im Januar selbst sei keine Sensation gewesen, sagt er Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, Lars-André Richter. Damit folge Kim dem vorgeschriebenen Fünf-Jahres-Rhythmus. „Interessant ist es zu sehen, ob einige jüngere Leute aus seinem (Kims) Umfeld dabei sind.

Wen dem so ist, nutzt Kim die Chance der Neuwahl, um Leute unterzubringen.“ Wie schon sein Vater kandidiert Kim auch selber. Er ließ sich im Wahlkreis „Paektu-Berg Nummer 111“ registrieren. Der als heilig verehrte Berg Paektu gilt in Nordkorea unter anderem als Symbol der Kim-Dynastie.

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