Kutzers Zwischenruf: Trotz Politik sind China-Aktien wieder angesagt

Hermann Kutzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Look east! Für Anleger lohnt sich der Blick nach China. Losgelöst von Kritik am politischen System widmen sich internationale Investmentstrategen derzeit wieder mit zunehmendem Interesse den Chancen im Reich der Mitte. Dabei sind die aktuellen Wirtschaftsdaten ähnlich wie bei uns und in den Vereinigten Staaten noch gemischt - tendenziell gilt der chinesische Erholungsprozess aber schon als relativ weit vorangekommen: Im weltweiten Vergleich ist die Wirtschaft dort bereits einen Schritt weiter - sowohl bei der technologischen Entwicklung als auch bei der Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie.

Die jüngste Erhebung im Rahmen des China Economic Panel (CEP) signalisiert allerdings ein noch gebremstes Wachstum. In der August-Umfrage sinkt der CEP-Indikator um 5,6 Punkte auf 26,1. Dieser Indikator gibt die Konjunkturerwartungen internationaler Finanzmarktexperten für China auf Sicht von zwölf Monaten wieder. Er steht aber immer noch recht hoch und liegt weit über seinem historischen Mittelwert von 2,6 Punkten. Die Experten sehen die chinesische Wirtschaft in einer wesentlich besseren Verfassung als den Euroraum und die USA. Trotzdem bezeichnet eine Mehrheit von 58,3 Prozent die Situation der Wirtschaft Chinas als schlecht. Die Normalisierung soll erst im kommenden Jahr eintreten.

Rund um den Globus wird sich das Konsumentenverhalten mit der zunehmenden Überwindung der Corona-Krise verändern. Auch auf Unternehmensebene ist ein Wandel absehbar, von dem Chinas Wirtschaft profitieren wird. Das beschreibt Patrick Vogel, Fondsmanager des MainFirst, in einer neuen Analyse: „Die Nachfrage nach Cloud-Infrastruktur für Rechenleistung und Datenspeicherung wird sich weiter beschleunigen. Die Umstellung auf Roboter und künstliche Intelligenz, die bereits zuvor im Gange war, wird durch die Pandemie ebenfalls forciert. Profiteure sind Unternehmen, die entsprechende Lösungen anbieten. Die meisten davon sitzen in China und im US-amerikanischen Silicon Valley.“ China dürfte auch auf anderen Gebieten von den zukünftigen Konsumbedürfnissen profitieren: Beispielsweise wird sich die Nachfrage nach Luxusartikeln wieder erholen, ist sich Vogel sicher. Er erwartet allerdings keine Beruhigung im Konflikt zwischen den USA und China. In diesem Jahrzehnt hat China die Gelegenheit, in vielen Bereichen, wie etwa Technologie, allgemeiner wirtschaftlicher Dominanz sowie politischem Einfluss, die Führung zu übernehmen. Das Verbot für US-Investoren, chinesische Aktien zu kaufen, dürfte diesen Prozess nicht aufhalten. Es kann aber die Volatilität erhöhen oder die Liquidität in US-Notierungen verringern. Für

ihn gilt daher, die kurzfristigen Schwankungen zu akzeptieren und den Fokus auf die langfristigen Gewinner zu legen.

Dass China wächst und expandiert - davon profitieren schon heute viele Anleger. Was den wenigsten bewusst ist: Sie investieren schwerpunktmäßig in Aktien, die in Hongkong gelistet sind. Aber die chinesische Wirtschaft ist deutlich vielfältiger und ihre Unternehmen werden primär nicht in Hongkong, sondern in Shenzhen oder Shanghai gehandelt - Börsenplätze, die bislang nur schwer zugänglich waren und von chinesischen Privatanlegern dominiert sind. Sie werden deshalb von vielen Anlegern vernachlässigt, obwohl sie den größten Teil der chinesischen Wirtschaftsstärke ausmachen. Das ändert sich gerade: Denn mit der Aufnahme sogenannter „Festlandaktien“ oder „A-Shares/A-Aktien“ in wichtige MSCI Indizes nimmt auch ihre Bedeutung zu.

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