Kutzers Zwischenruf: Wir müssen 2021 noch weiter BIP-ern

Hermann Kutzer · Uhr

Da meldet das Statistischen Bundesamt für 2020 einen starken Wirtschaftseinbruch in Deutschland gemessen am BIP (Bruttoinlandsprodukt) um 5,0 Prozent - und die Aktienkurse gehen nicht in die Knie. „Wie das?“, werden sich manche Börsenlaien fragen. Die Antwort ist einfach: Erstens ist diese Rezession keine Überraschung mehr, zweitens gewinnt der Markt inzwischen gestärkte Kondition durch einen hoffnungsvollen Blick nach vorn und drittens sorgt die enorme Liquidität für das entscheidende Kursfundament. Nur: Die Anleger sollten nicht übermütig werden, denn der Wirtschaftsverlauf hängt in den kommenden Monaten vom Pandemie-Verlauf ab. Und in puncto Corona hat die Unsicherheit in den letzten Tagen noch zugenommen.

Der zuständige Regierungsvertreter wird aller Voraussicht nach Recht behalten: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist zuversichtlich, dass sich die Wirtschaft trotz der Corona-Pandemie 2021 wieder auf Wachstumskurs geht. „Die Wirtschaft wird sich in diesem Jahr erholen, es wird ein Aufschwung-Jahr sein“, sagte der CDU-Politiker heute. Das Research der DZ Bank ist ebenfalls zuversichtlich und verweist auf unterschiedlichen Krisenfolgen: Während vor allem Filialeinzelhandel, Gastronomie, die Veranstaltungsbranche und Friseure unter den Lockdowns gelitten haben, liefen die Geschäfte der meisten Industriebranchen gegen Jahresende wieder besser. Bei erfolgreicher Impfkampagne erwarten die DZ-Bank-Analysten für 2021 ein Wachstum von 2,7 Prozent. Und: „Weiterhin rechnen wir mit einem Post-Corona-Boom in der zweiten Jahreshälfte.“ Das ist mutig. Auch das Münchner Ifo differenziert. Der Rückgang des BIP um 5,0 Prozent für das Gesamtjahr 2020 würde dann einen Ausfall von rund 200 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung bedeuten. Im ersten Vierteljahr 2021 dürfte die Wirtschaft nur um 0,5 Prozent wachsen, prognostizieren die Forscher. Denn anders als im Frühjahr 2020 ist derzeit nur die Wirtschaftsleistung in wenigen Branchen beeinträchtigt.

Das Resümee des Instituts ist für uns alle ausschlaggebend: Durch den neuen Lockdown wird sich die Erholung in diesem Jahr verzögern. Eine genaue Prognose der konjunkturellen Entwicklung ist jedoch schwierig und hängt maßgeblich vom Verlauf der Pandemie und von Dauer und Umfang der staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen ab. Unterstellt man zum Beispiel eine Öffnung des Einzelhandels ab Februar und ein Ende des Shutdowns im Gastgewerbe und den übrigen Dienstleistungsbereichen Ende März, dürfte das BIP im ersten Quartal nur um 0,5 Prozent steigen. Mit der Lockerung des Shutdowns dürfte dann eine rasche und kräftige Erholung einsetzen, wie bereits das vergangene Jahr gezeigt hat. Sollte sich zudem bis in den Sommer hinein auch das Verhalten der Verbraucher weitgehend normalisieren, etwa weil die Covid-19-Impfungen weit vorangeschritten sind, könnte das Vorkrisenniveau der Produktion an Waren und Dienstleistungen bereits in der zweiten Jahreshälfte erreicht werden. Im Jahresdurchschnitt dürfte das BIP dann um etwa 4,5 Prozent zulegen.

Sicher ist also nur die Unsicherheit. Schon 2020 mussten die Vorhersagen mehrfach (und stärker) korrigiert werden. Die Bundesbürger (und nicht nur die) müssen auch 2021 um Gesundheit, Arbeitsplätze und Einkommen bibbern - und die Wirtschaft muss weiter „BIP-ern“.

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