Kutzers Zwischenruf: Wirtschaftsbarometer zeigen spannenden Sommer an

Hermann Kutzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Auf den ersten Blick ist die Welt der Wirtschaft wieder heil, lässt die Folgen der Pandemie vergessen. Aber eben nur auf den ersten Blick. Die drohende Ausbreitung der Delta-Variante kann sich zum schmerzlichen Risikofaktor entwickeln. Auch ungeachtet dessen verspricht der Sommer zumindest eines: Er wird spannend. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen,  ob der Stimmungsaufschwung in Europa nachhaltig ist. Das wiederum hängt mit den momentan noch ungefährlichen Inflationszahlen zusammen. Als ewiger Optimist sehe ich eine gute Chance für unseren Aktienmarkt (nicht allein wegen der positiven Wall-Street-Einflüsse). Bleiben Rückschläge für die Wirtschaft insgesamt aus, wird der Dax gewiss weitere historische Höchststände markieren können. Die heutigen Zahlen sprechen dafür.

Es kann doch Mut machen, wenn das Geschäftsklima im Euro-Raum inzwischen so gut wie seit 21 Jahren (!) nicht mehr geworden ist. Das hierfür ermittelte Barometer der EU-Kommission hat im Juni deutlich um 3,4 Zähler auf 117,9 Punkte zugelegt, Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg auf 116,5 Punkte gerechnet. Insbesondere bei den Dienstleistern besserte sich die Stimmung angesichts der Lockerungsmaßnahmen in der Pandemie nachhaltig. Aber auch in der Industrie, im Einzelhandel, am Bau und unter den Verbrauchern hellte sie sich auf. Achtung! In Deutschland erreichte das Barometer mit einem Anstieg um 5,0 Punkte einen  Rekordwert.

Bleiben wir bei den Zahlen, denn das Statistische Bundesamt hat die vorläufige Inflationsrate für Juni veröffentlicht (wie üblich schon ein paar Tage vor dem Monatsultimo)I. Danach sind die deutschen Verbraucherpreise mit plus 2,3 Prozent etwas geringer als im Mai (plus 2,5 Prozent) gestiegen. Doch ist dies noch kein zuverlässiges (weil zu frühes) Signal, dass der Anstieg der Inflation vorbei ist. So sieht es auch ZEW-Professor Friedrich Heinemann in einer spontanen Stellungnahme: Die Sichtweise, dass die aktuelle Inflation von Kurzfristfaktoren getrieben wird, ist einerseits richtig, greift aber dennoch zu kurz. Es stimmt zwar, dass ein außergewöhnlich starker Anstieg der Importpreise und Sonderfaktoren der Pandemie die Inflation nach oben treiben. Dennoch ist überhaupt nicht sicher, dass diese kurzfristige Inflation genauso schnell verschwindet wie sie gekommen ist.

Noch skeptischer äußert sich die DZ Bank. So glaubt ihr Chefvolkswirt Dr. Michael Holstein, dass der Juni-Wert nur eine kurze Verschnaufpause auf dem weiteren Weg nach oben bleiben dürfte - bereits im Juli könnte die 3-Prozent-Marke geknackt werden. Das liegt vor allem an der Preisentwicklung im Vorjahr. Im Juli 2020 trat die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer in Kraft. Daher fielen die Preise im Einzelhandel und bei einigen Dienstleistungen im Schnitt um 1 bis 2 Prozent. Entsprechend größer fällt ab dem Juli der Vorjahresabstand aus. Bis zum Jahresende 2021 könnte die deutsche Inflationsrate sogar auf über 4 Prozent klettern, denn die Erholung aus der Corona-Krise wird vor allem bei einigen Dienstleistungen in den kommenden Monaten noch zu Preiserhöhungen führen. Auch die höheren Rohstoffpreise werden sich bemerkbar machen. Erst 2022 dürfte die Teuerungsrate wieder unter 2 Prozent sinken.

Ich gehe davon aus, dass abgesehen von den ohnedies bleibenden Unabwägbarkeiten die kommenden Monate eher uneinheitliche Nachrichten zur Konjunktur- und Unternehmensentwicklung bringen werden. Unterm Strich können Aktionäre gelassen bleiben - bis auf Weiteres.

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