Linke will auch Kanzleramt bei Wirecard-Sondersitzung befragen

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Berlin (Reuters) - Die Linke im Bundestag will im milliardenschweren Wirecard-Bilanzskandal auch die Rolle des Kanzleramts thematisieren.

"Ich habe beantragt, auch das Bundeskanzleramt zur Sondersitzung des Finanzausschusses hinzuzuziehen", sagte der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi am Dienstag. Der Ausschuss müsse Einblick in die Unterlagen erhalten, die das Finanzministerium dem Kanzleramt in der Sache übermittelt habe.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sollen in der kommenden Woche zu Wirecard Rede und Antwort stehen. Die Sitzung ist für Mittwoch angesetzt. In der Bilanz des Dax-Konzerns fehlen 1,9 Milliarden Euro, weswegen das Unternehmen Insolvenz anmelden musste. Es ist einer der größten Finanzskandale in Deutschland.

Altmaier sagte in Berlin, er sei eingeladen worden: "Ich werde das gerne wahrnehmen und werde alle Auskünfte geben, die gewünscht werden." Die SPD von Scholz hat den CDU-Politiker zuletzt in den Fokus gerückt, weil Altmaiers Ministerium für die Kontrolle der Wirtschaftsprüfer zuständig ist. Trotz Ungereimtheiten und kritischen Medienberichten waren die Bilanzen von Wirecard über Jahre von EY testiert worden.

WAS WUSSTE MERKEL?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einer Regierungssprecherin zufolge im Rahmen einer China-Reise 2019 den Zahlungsabwickler zum Thema gemacht: "Sie hat es angesprochen." Details wurden nicht genannt. Merkel habe zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von Ungereimtheiten bei Wirecard gehabt. Medienberichten zufolge hatte die Regierung zugesagt, die Expansion des Unternehmens nach China zu unterstützen.

Der "Süddeutschen Zeitung" teilte das Finanzministerium mit, vor der Merkel-Reise sei das Kanzleramt über Ermittlungen gegen Wirecard wegen mutmaßlicher Marktmanipulation informiert worden. Dies sei am 23. August 2019 geschehen. Die Auskünfte seien auf Arbeitsebene übermittelt worden, also nicht vom Minister oder hochrangigen Beamten.

"Wir sehen scheinbar erst die Spitze des Eisbergs", sagte Linken-Chefin Katja Kipping. "Da jetzt auch das Bundeskanzleramt in den Informationsfluss eingebunden war, muss auch Bundeskanzlerin Merkel sich jetzt den Fragen dazu stellen, was genau sie gewusst hat."

Die Organisation LobbyControl forderte ein Register, das offenlegt, wer für welche Unternehmen Interessen vertritt. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll für Wirecard seine alten Kontakte in der Regierung genutzt haben. "Eine Schmalspurlösung, die nur den Bundestag betrifft, reicht nicht aus", sagte Timo Lange von LobbyControl mit Blick auf Pläne der großen Koalition für den Herbst. Die Regierung müsse hier zwingend mit einbezogen werden.

Für den Wirecard-Konzern soll Insidern zufolge AlixPartners den mutmaßlichen Milliardenbetrug untersuchen. Die Berater sollen herausfinden, wer im Management und Aufsichtsrat wann von welchen Vorgängen wusste. Die Ergebnisse der Untersuchung sind etwa für Klagen gegen Wirecard-Manager oder mögliche Ansprüche gegen die Manager-Haftpflichtversicherung von Bedeutung. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt zu den Hintergründen der Milliardenpleite.

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