Magna, ZF, StreetScooter & Co.: Wie Zulieferer den etablierten Herstellern das Wasser abgraben

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Die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Autobauern und ihren großen Zulieferern droht aufzubrechen. Das kann überraschende Folgen haben und sich insbesondere für Volkswagen (WKN:766403) und Daimler (WKN:710000) zu einer echten Gefahr entwickeln.

Eine Branche im Umbruch

Für viele Zulieferer stellt die Elektromobilität eine Chance dar, um ihren Wertschöpfungsanteil am fertigen Fahrzeug zu erhöhen. Statt nur einzelnen Verbrennungsmotor-Komponenten könnten sie zukünftig beispielsweise komplette Antriebsstränge samt Steuerungselektronik, Batteriepacks und Energiemanagement liefern.

Die Autohersteller versuchen indes, sich dadurch zu verteidigen, dass sie massiv in internes Know-how sowie entsprechende Fertigungskapazitäten investieren. Fast im Wochentakt gehen aktuell die Meldungen über neue Werke oder Forschungslabore durch die Presse. Volkswagen startet den Elektromotorbau in Baunatal, Daimler investiert in weitere Batteriemontagezentren und BMW (WKN:519000) bereitet die Komponentenfertigung für den i-next vor. Das hat zunächst zur Folge, dass Zulieferer bei vielen Modellen nicht so zum Zuge kommen, wie sie gerne möchten.

Aber wo sich einige Absatzchancen absehbar verschließen, könnte es gelingen, neue zu eröffnen. Gleich auf zwei Wegen ist aktuell zu beobachten, was die Zukunft für die etablierten Automobilkonzerne bereithalten könnte: Zum einen bieten immer mehr Zulieferer die Umrüstung alter Dieselfahrzeuge auf Elektroantrieb an und zum anderen steigt das Engagement im Bereich von aufstrebenden Start-ups.

Überall entstehen neue Konkurrenten

Während es im Nutzfahrzeugbereich noch einige starke unabhängige Motorlieferanten wie Cummins (WKN:853121) oder Deutz (WKN:630500) gibt, war es für neue Autohersteller bisher schwierig, günstig an erstklassige Antriebe zu kommen. Solche Verbrennermaschinen werden jeweils intern entwickelt und fast ausschließlich intern verbaut. Das zugehörige Know-how wird gehütet wie ein Augapfel.

Mit der Elektrifizierung brechen diese vertikalen Strukturen auf. Für Start-ups war es lange nicht mehr so einfach, den Markteintritt zu wagen. Sobald das Fahrzeugkonzept steht, finden sich für alle Komponenten ohne Probleme leistungsfähige Zulieferer und die eigenen Investitionen können gering gehalten werden. Sono Motors arbeitet für den 2019 kommenden Sion unter anderem mit ElringKlinger (WKN:785602) und einem Auftragsfertiger zusammen. May Mobility hat sich für sein autonomes Elektro-Shuttle den großen austro-kanadischen Zulieferer Magna (WKN:868610) ins Boot geholt.

Auch die erfolgreichen StreetScooter-Modelle der Deutschen Post (WKN:555200) gehen auf eine umfassende Kooperation von mittelständischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen zurück. Beim konkurrierenden Start-up I SEE Electric Trucks darf Opel immerhin noch das Chassis liefern. Der große Zulieferer ZF wiederum wird sogar in Eigenregie in einem Joint Venture den kleinen Personentransporter e.GO Mover bauen. Schon nächstes Jahr sollen in Aachen die ersten Modelle vom Band rollen und die Produktion soll steil nach oben gefahren werden. Ähnliches plant Valeo (WKN:854052), die beim französischen Start-up Navya eingestiegen ist. Deren selbstfahrender Elektro-Kleinbus wurde bereits ausgiebig in der Schweiz erprobt und ist seit kurzem auch in Mainz im Testeinsatz.

Macht das Konzept solcher neuartigen Kooperationen Schule, dann poppen möglicherweise schon bald überall auf der Welt kleine Fahrzeughersteller hoch, welche schlank organisiert sind und maßgeschneiderte Lösungen für lokale Märkte produzieren. Dass Technologien wie der 3D-Druck die Wirtschaftlichkeit solcher Ansätze stetig verbessern wird, ist auch absehbar. Etablierte Hersteller bleiben dann immer häufiger außen vor - und es kommt noch schlimmer.

Ersatzinvestitionen erfolgen vermehrt an den Autobauern vorbei

Bisher konnten sich Nutzfahrzeughersteller darauf verlassen, dass Fahrzeugparks alle 10 bis 15 Jahre ersetzt wurden. Ältere Modelle rutschten steuerlich in teurere Verbrauchsklassen und wurden zudem im Unterhalt immer teurer, sodass es sich schon rein wirtschaftlich betrachtet lohnte, sie zu ersetzen. Das wird zukünftig anders aussehen. Ein Zulieferer kann dafür sorgen, einen Elektro-Truck oder -Bus über viel längere Perioden einsatzfähig zu halten.

Ganz konkret betrifft das auch ausgemusterte Diesel-Modelle. Bisher hätte man sie vielleicht nach Afrika exportiert oder gleich verschrottet, um sie dann durch effizientere Neufahrzeuge zu ersetzen. Nun wird immer häufiger eine attraktive Alternative in Betracht gezogen: die Umrüstung auf den Elektroantrieb. Beispielsweise wurde kürzlich bekannt, dass der Elektromotor-Spezialist Ziehl-Abegg, der Fahrzeugumrüster Tassima und IAV Automotive Engineering zusammen alte Berliner Diesel-Doppeldeckerbusse elektrifizieren werden.

Für die Beteiligten ist das offenbar ein ausgezeichnetes Geschäft. Busherstellern entgeht hingegen ein schöner Großauftrag. Es könnte gut sein, dass wir in Zukunft häufiger solche Geschichten hören werden. Insgesamt droht den etablierten Konzernen daher Ungemach von verschiedenen Seiten. Wie schlimm es aber wirklich kommt, hängt natürlich stark davon ab, ob sie es schaffen, sich technologisch und preisleistungstechnisch an der Spitze zu halten. An dieser Front ist das Rennen noch völlig offen.

Wichtig ist es auf alle Fälle, zu verstehen, dass sich für Zulieferer großartige Potenziale eröffnen, welche ihren Aktien einen mächtigen Schub verleihen könnten - wenn es gelingt, aus der reinen Lieferantenrolle auszubrechen und gemeinsam mit den richtigen Partnern Marktanteile im Fahrzeugmarkt zu erobern.

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Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Cummins. The Motley Fool empfiehlt BMW und Daimler.

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Foto: Deutsche Post DHL / Oliver Lang

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