Merkel rechnet mit langer Frist bis zur Überwindung der Pandemie

Reuters · Uhr

- von Andreas Rinke und Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Deutschen auf eine lange Zeit bis zur Überwindung der Corona-Pandemie eingeschworen.

Es gebe zwar erste Erfolg beim Kampf gegen die Ausbreitung, sagte sie am Donnerstag in Berlin. Aber die Infektionsrate sei wieder gestiegen, schränkte sie mit Verweis auf das Robert-Koch-Institut (RKI) ein. RKI-Chef Lothar Wieler hatte zuvor erklärt, seine Hoffnung, dass die Ansteckungsrate unter den Wert eins falle, habe sich nicht erfüllt. Merkel forderte, die Menschen müssten weiter diszipliniert die Einschränkungen befolgen, sonst wären alle Fortschritte umsonst. Sie zeigte sich skeptisch zu Vorschlägen, nach den Osterferien Schulen wieder zu öffnen. "Ich halte die Schulen natürlich nicht für die Orte, an den man mit den einfachsten Maßnahme den Abstand sicherstellen kann, den man braucht."

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn und Wieler warnten vor falschen Hoffnungen auf eine Normalisierung des Alltags. Der Verzicht auf Händeschütteln oder der Mindestabstand von 1,5 Metern werde auch bei einer Lockerung der Einschränkungen für lange Zeit gelten, sagte Spahn. Voraussetzung für den Verzicht auf einige Maßnahmen sei, dass die Kontaktsperren auch über die bevorstehenden Ostertage strikt eingehalten würden.

Anders als etwa NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wollte Spahn nicht über ein Szenario nach Ende den Osterferien sprechen. Eine Studie aus dem besonders stark vom Virus betroffenen Landkreis Heinsberg hatte Lockerungen als möglich bezeichnet. Bund und Länder wollen am Mittwoch über die Aufhebung von Einschränkungen sprechen.

Die Debatte über einen sogenannten Exit aus den Kontaktsperren wird seit Tagen durch die RKI-Zahlen befeuert. Die Zahl der Neuinfektionen stieg in dieser Woche täglich nur noch um vier bis fünf Prozent. Die Gesamtzahl der Infektionen wird mit rund 108.000 Fällen beziffert. Fast 50.000 Menschen schätzt das RKI bereits als genesen ein.

"Wir können das Land gegen das Virus verteidigen", sagte Merkel und appellierte an die Deutschen, "durchzuhalten". Sie machte deutlich, dass die Regierung Entscheidungen über die Lockerung nicht nur von der Ausbreitung der Infektionen abhängig machen wolle. Es gebe ein ganzes Set an Kriterien, zu denen auch gehöre, wie stark das Gesundheitssystem beansprucht sei, sagte die Kanzlerin. Nach Angaben von Spahn werden derzeit mehr als 3000 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern intensiv behandelt. Über 10.000 Intensivbetten seien aber frei.

Auch bei Lockerungen dürfe man nur kleine Schritte "in Spannen von zwei, drei Wochen" gehen, warnte die Kanzlerin. Auf keinen Fall dürfe eine Rückkehr zu mehr Normalität dazu führen, dass sich das Virus wieder verbreite und das Gesundheitssystem erneut vor die Gefahr einer Überforderung stelle.

PRODUKTION VON SCHUTZAUSRÜSTUNG SOLL ERHÖHT WERDEN

Das sogenannte Corona-Kabinett beschloss ein Konzept von Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Spahn, um die Produktion von Schutzausrüstung wie Masken in Deutschland und Europa zu erhöhen. Beide Minister sprachen von einem jährlichen Milliardenbedarf an Masken. Merkel sagte, dass man auf EU-Ebene besprechen wolle, wie man wieder mehr Schutzmaterial in Europa produzieren könne.

Bund und Länder wollen mit ihren Hilfsprogrammen den Mittelstand und Selbständige in die Lage versetzen, die Krise zu überstehen. Nordrhein-Westfalen stoppte allerdings die Auszahlung von Landes-Soforthilfen für Solo-Selbständige und Kleinstbetriebe in Abstimmung mit dem Landeskriminalamt. Demnach haben Betreiber auf Fake-Seiten mit gefälschten Antragsformularen Daten abgefischt und diese wohl für kriminelle Machenschaften genutzt.

In anderen EU-Staaten zeigte sich ein uneinheitliches Bild. Finnland verlängerte die meisten Beschränkungen um einen Monat bis zum 13. Mai. Auch in Polen wurden Beschränkungen für Schulen sowie den Bahn- und Flugverkehr um weitere zwei Wochen verlängert. In der Schweiz beschleunigte sich der Zuwachs an Infektionen wieder etwas. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez sagte dagegen mit Blick auf die weniger stark steigende Zahl an Toten, dass das Schlimmste der Pandemie in seinem Land bald vorüber sein könne. Dennoch werden man die massiven Beschränkungen wohl bis in den Mai verlängern müssen.

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