Ringen um Schutzmasken - Heimische Vlies-Hersteller bauen Produktion aus
Frankfurt (Reuters) - Im Beschaffungskampf um Schutzmasken in der Coronavirus-Krise wollen Hersteller in Deutschland die Produktion aus Asien wieder zurück auf den Heimatmarkt bringen.
Auch die Bundesregierung will die Produktion von medizinischer Schutzausrüstung in Deutschland und Europa ankurbeln, denn diese ist angesichts der Pandemie Mangelware. "Der Bereich Atemschutz war für uns bisher eine absolute Nische, weil sich der Großteil der Maskenproduktion in Asien abspielt", sagt Daniel Krumme, Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Familienunternehmens Innovatec. "Für europäische und insbesondere deutsche Märkte konnten Masken bisher nicht billig genug sein, so dass sich die Produktion nach Asien verlagert hat. Jetzt schauen sich viele um, wo man die Rohstoffe herbekommen soll."
Allein bei der Behandlung eines einzigen COVID-19-Patienten werden laut Empfehlungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten rund 15 Atemschutzmasken vom Typ N95 benötigt, die mindestens 95 Prozent aller Aerosole aus der Luft filtern. Bei etwa 700.000 infizierten Europäern entspricht das einem täglichen Bedarf von etwa zehn Millionen N95-Masken oder mehr als 3,8 Milliarden pro Jahr. Sowohl die teureren N95-Masken als auch einfachere chirurgische Masken erfordern ein feinmaschiges Meltblown-Vlies aus schmelzgesponnenen Mikrofasern, das als Filter dient.
Innovatec will ab Mitte Juni die Produktion dieser Vliesstoffe deutlich hochfahren, ab August sollen bei der oberfränkischen Sandler AG neue Produktionslinien den Betrieb aufnehmen. Im Gegensatz zu vielen Unternehmen, die nur vorübergehend medizinische Ausrüstung wegen der Coronavirus-Krise herstellen, strebt Innovatec eine langfristige Ausweitung seiner Produktion an, so dass zusätzlich zwei Milliarden Masken pro Jahr hergestellt werden könnten. Krumme hat zwei Maschinen umgebaut, die letztes Jahr bestellt wurden, um ursprünglich Filter für Industriekunden herzustellen. Ab Mitte Juni will Innovatec nun 2000 Tonnen Vlies zusätzlich für Atemschutzmasken produzieren, ab November könnten weitere 1000 Tonnen dazukommen.
Die in Schwarzenbach an der Saale sitzende Sandler AG will Meltblown-Vlies für bis zu 800 Millionen Masken pro Jahr herstellen, die Produktion wird allerdings nicht vor August beginnen. Ebenfalls ab August will der US-Konzern Berry seine Produktion im französischen Biesheim für den europäischen Markt hochfahren. Daneben wollen auch der US-Rivale Hollingsworth & Vose sowie der nordbadische Technologiekonzern Freudenberg ihre Produktion ausweiten.
Die deutschen Unternehmen setzen dabei auf Zusagen von der öffentlichen Hand, um sicherzugehen, dass die lokale Produktion auch nach der Pandemie eine Zukunft hat. Die Bundesregierung will die Herstellung dringend benötigter medizinischer Schutzmasken mit der Förderung darauf abgezielter Investitionen von Textilfirmen ankurbeln. Unternehmen sollen vom Bund einen Zuschuss von 30 Prozent auf die Investitionskosten für entsprechende Produktionsanlagen erhalten, wenn sie die Produktion eines für Schutzmasken benötigten Vliesstoffes noch 2020 aufnehmen. Die Firmen haben zudem eine Abnahmegarantie bis Ende 2021 zugesagt bekommen.