Rivian: großer Hype um Börsengang des Tesla-Konkurrenten – was Rivian besonders macht und wie die Chancen und Risiken einzuschätzen sind

onvista · Uhr

Der Hype um den neuen Elektroautobauer und Tesla-Konkurrenten wächst weiter: Im Zuge seines Börsengangs konnte das Unternehmen noch mehr Interesse entfachen als vorher erwartet. Rivian hat laut einer Mitteilung von Mittwoch 153 Millionen Anteile zu 78 Dollar das Stück an der Nasdaq platziert. Damit liegt der Erlös bei 11,9 Milliarden Dollar (10,3 Mrd Euro), womit Rivian der bisher größte Börsengang in diesem Jahr gelungen ist. Vergangene Woche hatte das Unternehmen noch den Verkauf von 135 Millionen Aktien zu einem Preis von 72 bis 74 Dollar angekündigt. Die Papiere sollen am Mittwoch erstmals gehandelt werden.

Gemessen an dem jetzt festgelegten Ausgabepreis wird Rivian mit 76,4 Milliarden Dollar oder umgerechnet 66 Milliarden Euro bewertet. Damit ist das US-Unternehmen mehr wert als zum Beispiel der deutsche Autobauer BMW , der zuletzt auf einen Börsenwert von knapp 59 Milliarden Euro kam. Vergangene Woche lag die Marktkapitalisierung Rivians inklusive der für Mitarbeitervergütung reservierte Aktien und andere Anteile noch bei 71 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Bei der letzten Finanzierungsrunde vor dem Börsengang im Januar wurde Rivian lediglich mit knapp 28 Milliarden Dollar bewertet.

Was macht Rivian besonders?

Rivian besitzt viele Parallelen zum Konkurrenten Tesla: Das Unternehmen konzentriert sich rein auf die Produktion von Elektroautos, will zudem mit einem eigenen Ladesäulennetz neben den Fahrzeugen auch Infrastruktur aufbauen und verkauft seine Produkte ebenso wie Tesla direkt an Kunden, statt dafür auf ein Händlernetz zurückzugreifen.

Das Alleinstellungsmerkmal liegt jedoch in der Auswahl des Fahrzeugtyps: Rivian will mit seinem ersten Modell die in den USA so beliebte Pick-up-Sparte erobern – und liegt im Rennen mit der jüngst gestarteten Produktion des Pick-ups Rivian R1T deutlich vorn.

Der R1T ist der erste Serien-Pick-up mit Elektro-Antrieb und wird seit September im ehemaligen Mitsubishi-Produktionswerk im US-Staat Illionis gebaut. Der R1T besitzt vier Elektromotoren, einen für jedes Rad, und kommt damit auf eine Leistung von 800 PS. Zudem haben Kunden drei verschiedene Batterie-Varianten zur Auswahl, die eine Reichweite von ca. 400, 480 bzw. 640 Km haben sollen. Die Aufladegeschwindigkeit bis 80 Prozent Kapazität soll an einer Schnellladesäule ca. 50 Minuten betragen. Die erste Edition des R1T kostet 75.000 Dollar, eine Basisvariante für 67.500 Dollar soll folgen. Derzeit liegen für den Pick-up bereits 50.000 Vorbestellungen vor.

Pick-ups sind vor allem in den USA, mit seinen ausschweifenden Landschaften und Regionen mit teils schwer zugänglichem Terrain, sehr beliebte Fahrzeuge. Im Jahr 2020 sind 20 Prozent aller Neuzulassungen in den USA auf Pick-ups entfallen. Die teils ausladenden Kleinlaster machen damit einen recht hohen Teil der CO2-Emissionen des US-Verkehrs aus.

Wie sieht die Konkurrenz aus?

Tesla hatte mit der Vorstellung seines futuristisch anmutenden Cybertrucks im November 2019 für eine Menge Hype gesorgt, jedoch hinkt der Autobauer mit diesem Projekt mittlerweile den Plänen weit hinterher – der Produktionsstart wurde zuletzt auf Ende 2022 verschoben. Jedoch will Tesla den Fokus ohnehin zunächst weiter auf die Pkw-Modelle wie das als massentauglichen Wagen ausgerufene Model 3 richten.

Ein größerer Konkurrent für Rivian in der Pick-up-Sparte könnte hingegen Ford werden, der bisherige amerikanische Platzhirsch in diesem Segment. Der Verbrenner F 150 ist seit Jahrzehnten der absolute Favorit in den USA. Die Elektrovariante F 150 Lightning soll im Frühjahr 2022 auf den Markt kommen, die Vorserienproduktion in einem Ford-Werk in Michigan ist bereits gestartet. Ford hat mit seinen um ein Vielfaches höheren Kapazitäten in dieser Hinsicht nicht nur einen Marken- sondern auch einen Produktionsvorteil: Zunächst sollen 150.000 Fahrzeuge pro Jahr gebaut werden – bis 2024 soll die Fertigung auf 800.000 Modelle jährlich steigen. Zudem soll die Basisvariante des F 150 Lightning mit knapp 40.000 Dollar fast um die Hälfte billiger angeboten werden als das Rivian-Modell.

Wie sehen die Chancen aus?

Es war ohne Zweifel ein kluger Schachzug von Rivian, mit der E-Pick-up-Sparte ein Segment auszuwählen, in dem bisher noch keiner der Autobauer durchgestartet ist. Zudem bietet das große Interesse im Heimatmarkt an diesem Fahrzeugtyp weitere Chancen, schnell Fuß zu fassen. Auch hat Rivian, anders als Tesla, mit Amazon und Ford zwei Großinvestoren in der Hinterhand. Vor allem Amazon ist anscheinend eine Menge an dem Erfolg von Rivian gelegen – was auch teilweise mit der persönlichen Fede zwischen Elon Musk und Jeff Bezos zusammenhängen könnte. Bezos ist nach seinem medienwirksamen Flug ins All mit seiner Raumfahrtfirma BlueOrigin in einen Rivian Pick-up eingestiegen, nachdem er gelandet war. Ein deutliches Statement. Zudem hat Rivian einen Großauftrag von Amazon erhalten und soll bis 2025 100.000 Elektrolieferwagen an Amazon ausliefern. Amazon ist im Februar 2019 in Rivian eingestiegen und hat sich mit 700 Millionen Dollar an der Firma beteiligt.

Die Risiken

Rivian hat mit seinem Elektro-Pick-up eine scheinbar günstige Ausgangslage, jedoch befindet sich die Elektrofahrzeugbranche bei weitem nicht mehr in dem Pionierstadium wie damals als Tesla durchgestartet ist. Die traditionellen Autobauer wissen längst was Sache ist und pumpen Milliarden in das neue Segment, um ihr Geschäft zukunftsfest zu machen. Allein die etablierte Pick-up-Marke Ford und der bald kommende F 150 Lightning wird einen erbitterten Kampf um Marktanteile bedeuten.

Denn Rivian startet die Produktion gerade erst und eine schnelle Skalierung wird notwendig sein, um langfristig überleben zu können. Die in der Vergangenheit von Musk beschriebene „Produktionshölle“ könnte auch auf Rivian zukommen – bis Ende Oktober hat das Unternehmen gerade einmal 189 Autos produziert.

Laut SEC-Einreichung hat Rivian zudem bisher keinen einzigen Dollar Umsatz gemacht – die Verluste seit Anfang 2020 belaufen sich jedoch auf zwei Milliarden Dollar. „Wir erwarten nicht, dass wir in absehbarer Zukunft Profitabilität erreichen werden und wir können nicht versichern, dass wir es jemals schaffen,“ heißt es in der Börseneinreichung. Das ist zwar heutzutage kein selten gelesenes Statement mehr, jedoch spiegelt es das Risiko in dem nun umso härter umkämpften Automarkt gut wieder, in dem Rivian sich etablieren will.

Anleger, die auf eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie Tesla sie produziert hat, spekulieren, müssen sich bewusst sein, dass der Automarkt nicht mehr derselbe ist, wie er es zu den Anfangszeiten von Tesla am Parkett noch gewesen ist. Mittlerweile spielen auch die traditionellen Autobauer im Elektrosegement mit.

onvista-Redaktion mit dpa-AFX

Titelfoto: Miro Vrlik Photography / Shutterstock.com

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