ROUNDUP: Solarboom und Baunachfrage liefern Wacker Chemie Rückenwind

dpa-AFX · Uhr

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Trend hin zu Erneuerbaren Energie und ein in vielen Regionen ungebrochener Bauboom treiben die Erholung von Wacker Chemie an. So konnten die Auswirkungen der Corona-Krise, die den Konzern vor allem im ersten Halbjahr 2020 belastet hatten, zum Jahresende hin zumindest teilweise ausgeglichen werden. "Die Aufstellung unseres Portfolios, mit der wir Schwächen in einzelnen Branchen zumindest zum Teil kompensieren konnten, hat sich in der gegenwärtigen Krise einmal mehr bewährt", sagte Konzernchef Rudolf Staudigl laut Mitteilung. Zudem zahle sich die laufende Restrukturierung aus. Für die Aktien ging es am Dienstag nach oben.

Sie stiegen am Vormittag um 3,67 Prozent auf 127,25 Euro. Mit diesem Sprung auf ein Hoch seit August 2018 knüpften die Papiere an den guten Lauf der letzten Monate an. So hatten sie schon 2020 der Corona-Krise getrotzt und mit einem Plus von fast 73 Prozent zu den Favoriten im MDax gezählt.

Das Unternehmen liefert mit seinem hochreinen Polysilizium den Grundstoff für Solaranlagen. Hier profitierte es zuletzt zwar auch von Produktionsproblemen der chinesischen Konkurrenz, grundsätzlich liefern aber auch Megatrends wie die Klimaschutzbestrebungen vieler Länder Rückwind - wie etwa der "Green Deal" der EU. Dabei kann Wacker Chemie auch mit Produkten für die Verklebung, die Verankerung und den Witterungsschutz etwa von Windkraftanlagen punkten.

Gleichzeitig laufen die Geschäfte rund um Materialien für Dicht- und Dämmstoffe sowie mit Zusätzen für Zement, Fliesen und Klebstoffe dank der Baukonjunktur gut. Und auch Stoffe für Medizin- und Hygieneprodukte sind gefragt. All das half 2020 eine schwächere Nachfrage etwa aus der Auto- und der Textilbranche auszugleichen.

Dank eines Erlösplus im Schlussquartal konnte der Chemiekonzern den Umsatzverlust im Gesamtjahr eindämmen. Am Ende fielen die Erlöse auf Basis vorläufiger Zahlen 2020 um 5 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro, wie der Chemiekonzern am Dienstag mitteilte.

Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank auf den ersten Blick mit einem Minus von 15 Prozent auf 665 Millionen Euro deutlich. Allerdings hatte der Konzern im vorangegangenen Jahr eine hohe Versicherungszahlung im Zusammenhang mit einem Unglück in einem US-Werk erhalten. Um diesen Effekt bereinigt ging das operative Ergebnis nur minimal zurück.

Unter dem Strich blieben 200 Millionen Euro hängen, nachdem 2019 hohe Abschreibungen auf das Solargeschäft noch für ein dickes Minus gesorgt hatten. Und dabei schlugen in den letzten drei Monaten 2020 - wie angekündigt - noch Kosten von rund 50 Millionen Euro für den laufende Restrukturierung zu Buche.

So tritt Manager Staudigl schon seit einiger Zeit auf die Kostenbremse, auch um sich gegen größeren Konkurrenzdruck zu wappnen. Dazu gehört auch ein Stellenabbau. Ab Ende 2022 sollen die Kosten dadurch um 250 Millionen Euro niedriger ausfallen. 2020 betrug der Effekt mehr 50 Millionen Euro, 2021 sollen es schon mehr als 100 Millionen Euro werden.

Analyst Chetan Udeshi von der Bank JPMorgan sprach in einer ersten Reaktion von überraschend guten Resultaten, was vor allem am Polysilizium-Geschäft gelegen habe. Zudem hätten deutlich niedrigere Investitionen zu einem hohen Netto Mittelzufluss beigetragen. Allerdings dürfte den Bayern auch zugute gekommen sein, dass viele Kunden ihre Lager wohl wiederaufgefüllt hätten - ein Effekte der im ersten und zweiten Quartal des neuen Jahres nachlassen sollte. Zudem könnten steigende Rohstoffkosten für Gegenwind sorgen.

Details zum Jahresstart sowie einen Ausblick für 2021 dürfte Wacker Chemie dann am 16. März 2021 bei der Vorstellung des Geschäftsberichtes für das vergangene Jahr liefern. Dann könnte es auch Neuigkeiten zu den Fortschritten bei der Kooperation mit dem Biotech-Unternehmen Curevac geben. Die Unternehmen arbeiten bei der Produktion eines Corona-Impfstoffkandidaten zusammen. So wird Wacker Chemie in Amsterdam pro Jahr mehr als 100 Millionen Dosen des Mittels herstellen, mit Erweiterungsoption. Das Präparat wird vom Tübinger Unternehmens aktuell noch getestet und könnte, wenn alles gut läuft, bereits im Sommer gespritzt werden.

In den kommenden Wochen wird sich zudem entscheiden, ob der Hersteller von Halbleiterwafern Siltronic, an dem Wacker knapp 31 Prozent hält, wie geplant an den taiwanischen Siltronic-Wettbewerber Globalwafers gehen wird. Wacker hatte im Dezember vertraglich zugesichert, seinen Anteil von knapp 31 Prozent zu 125 Euro je Aktie abzugeben, was dem Konzern rund 1,2 Milliarden Euro in die Kassen spülen würde. Zuletzt war aber noch unklar, ob die Offerte Erfolg haben wird, da von den anderen Aktionären kaum einer seine Papiere angedient hatte. Bis zum 10. Februar können sich die andere Anteilseigner aber noch überlegen, ob sie das mittlerweile auf 145 Euro je Anteilsschein angehobene Angebot akzeptieren./mis/nas/stk

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