Scheidender EZB-Direktor warnt EU-Staaten vor Mitnahmeeffekten der lockeren Geldpolitik
Frankfurt (Reuters) - Angesichts der ultra-laxen Geldpolitik sieht EZB-Direktor Yves Mersch die Gefahr, dass Staaten lieber selber billige Kredite aufnehmen als den Corona-Wiederaufbaufonds der EU anzuzapfen.
Die EZB müsste darauf reagieren, falls Staaten eher den Umweg der günstigen Schuldenaufnahme am Markt gingen statt sich der Kredite des Fonds zu bedienen, sagte der Luxemburger Direktor am Montag, dessen Amtszeit am 14. Dezember abläuft. Die EZB dürfe nicht dazu genutzt werden, dass auf europäischer Ebene beschlossene Maßnahmen umgangen würden. Zugleich appellierte er an alle Mitgliedstaten, "die schwer erkämpfte neue europäische Solidarität" nicht zu untergraben.
Hintergrund ist die Sorge, dass von der Corona-Krise hart getroffene Staaten eher zu derzeit günstigen Zinssätzen am Markt Schulden aufnehmen als Kredite aus dem Wiederaufbaufonds in Anspruch zu nehmen. Die EZB darf den Staaten zwar keine Schuldtitel direkt abkaufen, erwirbt jedoch gehandelte Papiere in großem Umfang und sorgt so indirekt für relativ niedrige Refinanzierungskosten. Daher erscheint es für manche Länder weniger attraktiv, sich Gelder aus dem Wiederaufbaufonds zu leihen - zumal es Vorgaben gibt, wohin Gelder fließen sollen.
Der EU-Aufbaufonds umfasst 390 Milliarden Euro als Zuschüsse, weitere 360 Milliarden als Kredite.