Scholz widerspricht Baerbock - Finanzämter gegen Steuerbetrug gerüstet

Reuters · Uhr

Kassel/Berlin (Reuters) - SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hält die deutschen Finanzämter für ausreichend gerüstet, um Steuerbetrug aufdecken zu können.

"Ich bin überzeugt, dass wir erstklassige Finanzämter in Deutschland haben, die ihre Arbeit leisten", sagte der Bundesfinanzminister am Donnerstag am Rande eines Unternehmensbesuchs in Kassel. "Und da brauchen wir keine neuen Techniken, die dazu führen, dass der eine über den anderen redet."

Die baden-württembergische Steuerverwaltung hatte Anfang der Woche das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter eingeführt - unter Leitung des grünen Finanzministers Danyal Bayaz. Die "Bild" bezeichnet es als "Steuer-Stasi".

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kann sich eine Übernahme der Praxis auf Bundesebene vorstellen. "Wir müssen Orte schaffen, wo auch gemeldet werden kann, wenn man weiß, dass es zu heftigem Steuerbetrug kommt", sagte sie am Mittwochabend in einer Wahlsendung von ProSieben. "Die nächste Bundesregierung sollte das auch einführen."

Kritik kam aus der FDP. Parteichef Christian Lindner twitterte, Steuerhinterziehung müsse bekämpft und Verwaltungen müssten digitalisiert werden. "Aber ausgerechnet mit einem Portal zum Anschwärzen zu beginnen, das ist rätselhaft. Da sinkt die Hürde, dem ungeliebten Nachbarn eins auszuwischen." Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Christian Dürr, sagte, der Zweck heilige nicht immer die Mittel: "Das baden-württembergische Meldeportal ist nichts anderes als ein Bürgerpranger, der zur weiteren Spaltung unserer Gesellschaft führt." Ähnlich äußerte sich der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding. Missgunst werde so gefördert. Das müsse aber eigentlich verhindert werden, sagte er dem MDR.

Der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer sagte, die Behörden der Länder seien schon immer auch auf anonyme Hinweise angewiesen gewesen. Die Stasi dürfe zudem nicht verharmlost werden.

Die Grünen betonten, Steuerbetrug sei kein Kavaliersdelikt. Steuerbetrug führe zu Ungerechtigkeiten, sagte Finanzpolitiker Sven Giegold. "Das Geld fehlt für Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit." Das Hinweisportal solle vor allem Informanten bei großen Fällen schützen. "Es geht nicht um die Anschwärzung des Nachbarn." Die Enthüllung großer Fälle von Steuerbetrug im Ausland sei vor allem Hinweisgebern zu verdanken.

Meistgelesene Artikel