Shortseller-Report zerlegt Lilium-Aktie – was Anleger jetzt wissen müssen

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Ausgerechnet am gleichen Tag, an dem Alteigentümer von Lilium erstmals die Möglichkeit haben, ihre zuvor gesperrten Anteile zu versilbern, spuckt ihnen Iceberg Research in die Suppe. Ein Bericht, der große Zweifel an den Geschäftsaussichten des deutschen Entwicklers von senkrecht startenden und landenden Luftfahrzeugen (eVTOL) schürt, lässt die Aktie weiter abstürzen.

Die Vorwürfe im Einzelnen

Die Shortseller behaupten, dass Lilium nicht in der Lage sein werde, ihr Versprechen von 250 Kilometern Reichweite einzuhalten. Als Hauptgrund führen sie an, dass das eigenwillige Design mit den 30 Motoren beim Schweben zu viel Energie ziehen würde. Dabei unterschätze das Management die Zeit, die das Flugfahrzeug im realen Betrieb regelmäßig schweben müsse, bis es sicher landen kann.

Das Problem sei physikalischer Natur. Aufgrund der insgesamt relativ geringen überstrichenen Rotorfläche sei die Effizienz deutlich geringer als bei einem Design, das mehr an einen Hubschrauber erinnert. Das Phänomen ist unter dem Begriff Scheibenlast (Disk loading) unter Luftfahrtingenieuren bekannt.

Lilium-Maschinen werden folglich viel Reichweite einbüßen, wenn das Starten und Landen nicht so schnell wie erhofft erfolgen kann. Denn erst im Horizontalflug können sie ihre Stärken ausspielen. Und selbst daran äußern die Experten Zweifel. Sie stören sich daran, dass die Prototypen nach sieben Jahren Entwicklungszeit noch nie länger als drei Minuten in der Luft waren. Der Zeitplan, um bis Ende 2023 den Zertifizierungsprozess abzuschließen, sei so kaum einzuhalten.

Rivale Joby Aviation hingegen, der auf größere offene Rotoren setzt und den sie als führend ansehen, habe bereits Flüge im Bereich von 150 Meilen erfolgreich absolviert. Das belegt, dass Lilium in diesem Segment nicht darauf bauen kann, Erster zu sein, zumal mehr als ein Dutzend weiterer starker Wettbewerber in den Markt drängen.

Wenn Lilium eine Chance haben wolle, dann benötige die Unternehmung Wunderbatterien. Das Management behaupte, diese in der Hinterhand zu haben, nenne den exklusiven Partner aber nicht beim Namen. Iceberg Research vermutet hier genauso eine irreführende Darstellung der Lage wie bei den ersten präsentierten Kunden. All das sei möglicherweise nur fabriziert, um Investoren zu beeindrucken.

Kurzum: Lilium werde - falls es überhaupt irgendwann funktioniere - länger als geplant brauchen, um in den kommerziellen Betrieb übergehen zu können. Und in rund 1,5 Jahren sei Ebbe in der aktuell noch gut gefüllten Kasse.

Was davon zu halten ist

Ein großer Teil der Argumentation stützt sich auf Recherchen des Fachblatts Aerokurier, die bereits weit vor dem Börsengang einsetzten. In mehreren Artikeln äußerten sich befragte Ingenieure sehr skeptisch über das Design der Lilium-Jets. Mit physikalischen Modellen wurde scheinbar nachgewiesen, dass es so nicht funktionieren könne.

Dieser Teil der Vorwürfe war also bereits bekannt, als renommierte Investoren dem Unternehmen mehrere Hundert Millionen Euro in den Rachen warfen. In den einzelnen Finanzierungsrunden finden jedoch typischerweise tiefgehende Prüfungen statt, um jeden Stein umzudrehen, bevor auch nur ein Euro fließt.

Von daher würde ich davon ausgehen, dass das Management mit überzeugenden Argumenten diese Punkte ausräumen konnte. Selbst die besten Experten haben eben von außen nur einen begrenzten Einblick auf die tatsächlichen technischen Detaillösungen. Deren negative Schlussfolgerungen müssen auf den aktuell entwickelten Siebensitzer nicht zwingend zutreffen.

Was die Batterien angeht, hat Lilium mit CustomCells den richtigen Partner, um seine Technologie in die Serienfertigung überführen zu können. Wenn dies aussichtslos wäre, hätte der Spezialist den Auftrag wohl kaum angenommen. Überzeugend sind auch das weitere Partnernetzwerk, die vielen hochqualifizierten Mitarbeiter und der stark besetzte Aufsichtsrat.

Warum ich die Lilium-Aktie jetzt trotzdem nicht kaufen würde

Ich habe zwar Vertrauen, dass Lilium es letztlich gelingen wird, seinen Jet zur Marktreife zu entwickeln. Aber der Vorwurf, dass es länger dauern könnte als erhofft, erscheint mir plausibel, zumal das Management an diesem Punkt selbst etwas zurückgerudert ist.

Wenn allerdings der Zeitplan nicht eingehalten werden kann, dann wird möglicherweise im Laufe des nächsten Jahres das Geld ausgehen. Und etwaige schnellere Wettbewerber wie Joby könnten Lilium das Geschäft streitig machen.

Lilium muss jetzt möglichst schnell das fertige Design seines Siebensitzers vorstellen und dann am besten noch einen Finanzierungspartner präsentieren, der sicherstellt, dass das Unternehmen flüssig bleibt. Sollte Lilium stattdessen auf eine Eigenkapitalerhöhung angewiesen sein, dann könnte der Kurs noch deutlich weiter sinken.

Die Aktie ist spannend und bleibt auf meiner Watchlist. Aber ich sehe hier keine Eile. Der Leerverkäuferdruck dürfte noch einige Wochen oder Monate anhalten und ich lauere lieber ruhig auf bessere Nachrichten.

Der Artikel Shortseller-Report zerlegt Lilium-Aktie - was Anleger jetzt wissen müssen ist zuerst erschienen auf The Motley Fool Deutschland.

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Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.

Motley Fool Deutschland 2022

Bild: Lilium

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