Spahn sieht russischen Corona-Impfstoff skeptisch

Reuters · Uhr

Frankfurt/Berlin (Reuters) - Gesundheitsminister Jens Spahn sieht die weltweit erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs in Russland kritisch.

"Nach allem was wir wissen, ist das nicht hinreichend erprobt", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk. Es gehe nicht darum, irgendwie erster zu sein, sondern einen wirksamen und sicheren Impfstoff zu haben. Auch in einer Pandemie seien Tests wichtig. Die russischen Behörden seien aber nicht sehr transparent vorgegangen, und es habe noch keine Phase-3-Studie mit einer breiten Erprobung am Menschen gegeben. Es schade zudem der Akzeptanz des Impfens, wenn es schiefgehe. Ungeachtet der Kritik zeigten mehrere Staaten Interesse an der russischen Arznei.

Russland hatte am Dienstag den Impfstoff zugelassen. Präsident Wladimir Putin sagte, das Mittel sei sicher und er hoffe, bald mit Massenimpfungen starten zu können. Experten hatten sich besorgt geäußert und kritisiert, dass Russland Prestige vor Sicherheit stelle. Der russische Gesundheitsminister Michail Muraschko wies die Kritik zurück. Vorwürfe, dass der Impfstoff unsicher sei, seien unbegründet und vom Wettbewerb getrieben, berichtete die Agentur Interfax .

Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt bestehen darauf, dass die Geschwindigkeit bei der Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs die Sicherheit nicht beeinträchtigt. Interesse an dem russischen Impfstoff haben bereits die Philippinen und Israel geäußert. Man habe "großes Vertrauen" in den Impfstoff und nehme das Angebot von Russland an, diesen an den Inselstaat zu liefern, sagte Präsident Rodrigo Duterte. Die Philippinen, die zu den Ländern mit den höchsten Fallzahlen in Asien gehören, würden sich zudem mit Freiwilligen an klinischen Studien beteiligen.

Der israelische Gesundheitsminister Yuli Edelstein sagte, Israel werde den russischen Impfstoff prüfen und Verhandlungen aufnehmen, wenn dieser ein "seriöses Produkt" sei. Das Land hat bereits Kaufoptionen mit den US-Biotechfirmen Moderna und Arcturus unterzeichnet und arbeitet auch an einem eigenen Impfstoff. In Brasilien erklärte der Bundesstaat Parana, den russischen Impfstoff herstellen zu wollen. Es ist aber unklar, ob er dafür die Freigabe durch die brasilianische Regulierungsbehörde Anvisa erhält, der bislang noch kein Antrag auf Zulassung des Impfstoffs vorliegt. Paranas Gouverneur Ratinho Junior wollte am Mittwoch den russischen Botschafter treffen, um über die Bedingungen eines Abkommens zu besprechen.

Der Leiter des russischen Staatsfonds Kirill Dmitriew, der zu den Geldgebern des Projekts gehört, hatte erklärt, Russland habe bereits ausländische Anfragen nach einer Milliarde Dosen des Impfstoffes erhalten. Zudem würden wohl bald klinische Studien in den Vereinigten Arabischen Emiraten und auf den Philippinen beginnen.

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