Übermut tut selten gut!

Holger Scholze · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Gesunde Skepsis ist mittelfristig ratsam
Nein, ich möchte wahrlich nicht als Miesmacher daherkommen. Aber die starken Kursgewinne des DAX am Dienstag und Mittwoch halte ich für übertrieben. Wir haben wohl eher eine technische Erholung mit zusätzlich kurstreibenden Short-Eindeckungen gesehen. Besonders stabil scheint mir die Lage aber nicht zu sein. Es dürfte wohl eher unter heftigen Schwankungen weiter seitwärts gehen. Mit Rückschlägen müssen wir vor allem aufgrund der geopolitischen Lage jederzeit rechnen.
An meinem an dieser Stelle mehrfach genannten Jahresziel von 11.000 Punkten halte ich zwar fest. Allerdings rechne ich weiterhin erst in der zweiten Jahreshälfte, genauer gesagt im Herbst mit neuen Höchstständen beim DAX. Freilich muss bis dahin der Konflikt zwischen Russland und den G7-Staaten auf diplomatischem Wege gelöst werden. Ansonsten wäre ich gezwungen, nach dem Motto „Ändern sich die Fakten, ändern sich die Meinungen“ meine Jahresprognose zu überdenken.

Sorgen um China bekommen neue Nahrung
Der Wochenauftakt war, bedingt durch erneut enttäuschende Konjunkturdaten aus China, nicht besonders rosig. Es ist äußerst unangenehm, dass sich die chinesische Industrie derzeit so zurückhaltend präsentiert. Der HSBC-Einkaufsmanagerindex ist ein weiterer Beleg dafür. Er gab nun bereits den fünften Monat in Folge nach, lag das gesamte erste Quartal über unterhalb der Wachstumsschwelle von fünfzig Punkten und notierte im März mit 48,1 Punkten so tief wie seit acht Monaten nicht mehr. Wage Spekulationen auf möglicherweise bald bevorstehende Konjunkturhilfen der Chinesischen Notenbank verpufften schnell.

US-Konjunktur zeigt Lichtblicke nach hartem Winter    
Die Laune der Börsianer an der Wall Street verbesserte sich schon am Dienstag schlagartig, nachdem der Index des Conference Board für das Verbrauchervertrauen im März bekannt gegeben worden war. Demnach ist die Stimmung unter den Verbrauchern in den USA so gut wie seit sechs(!) Jahren nicht mehr. Am Mittwoch überraschte die US-Industrie mit einem kräftigen Auftragsplus im Monat Februar. Die Bestellungen für langlebige Güter, zu denen Toaster genauso gehören wie Flugzeuge, zogen um 2,2 Prozent an, obwohl Ökonomen im Durchschnitt nach dem Rückgang im Januar nur mit einem Zuwachs in Höhe von 1,1 Prozent gerechnet hatten. Dadurch konnten die zuletzt zunehmenden Sorgen um die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft vorerst zerstreut werden. Allzu überrascht war ich davon jedoch nicht. Der strenge Winter hat Investitionsentscheidungen ja schließlich nicht auf Dauer eingefroren, sondern lediglich vorübergehend auf Eis gelegt. Doch dieses ist mittlerweile getaut. Also kommt nun auch wieder mehr Schwung in den Laden.

Janet Yellen sorgte nur kurz für Aufregung
Nun hat auch die erfahrene Janet Yellen am eigenen Leibe spüren müssen, welche enorme Wirkung in ihrer Position ein lapidar formulierter Halbsatz entfalten kann - ja er könnte sogar ganze Volkswirtschaften ist Trudeln bringen. Natürlich wusste sie dies vorher auch schon, aber auch Notenbankpräsidentinnen und -präsidenten sind eben nur Menschen. Ben Bernanke und Alan Greenspan leisteten sich zu Beginn ihrer Amtszeiten ebenfalls den einen oder anderen Fauxpas. Letztlich haben wir aber auch diese überstanden. Nachdem Janet Yellen souverän verkündet hatte, dass die Wertpapierkäufe der Fed wie erwartet um weitere zehn Milliarden US-Dollar pro Monat verringert werden, war für die Börsianer noch alles in Ordnung. Doch dann kam die unüberlegte Bemerkung, welche sofort für Aufregung sorgte. Auf eine Nachfrage bei der Pressekonferenz, wie lange es nach dem voraussichtlichen Ende der Konjunkturspritzen im Herbst dauern könnte, bis die US-Notenbank die Leitzinsen erhöht, sagte Janet Yellen: „Vielleicht ungefähr sechs Monate oder so“. Uuups! „Hat sie das jetzt wirklich gesagt“, wird der eine oder andere Beobachter gedacht haben. Hellhörige Marktteilnehmer interpretierten in Sekundenschnelle hinein, dass die Zinsen bereits Mitte 2015 steigen könnten. Da die neue Fed-Chefin sofort bemerkte, was ihr da über die Lippen gerutscht war, betonte sie im weiteren Verlauf der Pressekonferenz immer wieder, dass mit schnellen Zinserhöhungen auf lange Sicht nicht zu rechnen sei. Denn dafür wäre der US-Jobmarkt noch immer zu schwach und die Inflation zu gering. Sie beobachte allein zehn verschiedene Arbeitsmarktindikatoren, erklärte die Volkswirtin und zählte sie zur Untermauerung ihrer Aussagen geduldig auf. Also wollen wir Frau Yellen mal glauben. 

EZB dürfte aktuellen Kurs beibehalten
Spannend dürfte in der kommenden Woche die Entscheidung der Europäischen Zentralbank über den weiteren Kurs der Geldpolitik in der Euro-Region werden. Schließlich fordern nicht wenige Experten eine weitere Lockerung selbiger, die in Form von weiter sinkenden Zinsen oder zusätzlichen Instrumenten wie massiven Wertpapierkäufen stattfinden könnte.  Dabei erklärte EZB-Chef Mario Draghi erst am Dienstag in Paris, dass es keine Anzeichen für eine Deflation gebe. Die Notenbanker könnten nicht erkennen, dass Unternehmen und Verbraucher auf fallende Preise spekulieren und deshalb Kauf- oder Investitionsentscheidungen auf die lange Bank schieben würden. Ein solches Verhalten wäre ein Indiz dafür, dass die Wirtschaft in der Euro-Zone auf eine gefährliche Deflationsspirale zusteuern würde. Mario Draghi bestätigte aber erneut, dass die EZB bereit sei, weitere Maßnahmen zu ergreifen, wenn dies nötig sein sollte. Der Leitzins in den 18 Ländern der Währungsunion steht jedoch seit November bereits bei nur noch 0,25 Prozent, das ist das niedrigste Niveau seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Der Euro pendelte zuletzt im Bereich zwischen 1,37 und 1,40 US-Dollar. Offenbar erwarten die Devisenhändler aktuell, dass die EZB in der kommenden Woche auf weitere Maßnahmen verzichten werde. Und auch aus meiner Sicht ist dies im Moment sehr wahrscheinlich.

Fazit
Für kurzfristig orientierte Trader bieten die stärkeren Schwankungen des Marktes täglich neue Gelegenheiten.  Mittel- und langfristig orientierte Investoren sollten weiter besonnen und geduldig agieren. 
 
Ihr Holger Scholze

Neueste exklusive Artikel