Währungshüter in London schieben Zinswende noch auf - Erhöhung bald möglich

Reuters · Uhr

London/Berlin (Reuters) - Als erste der großen Zentralbanken weltweit fasst die Bank von England eine Zinswende konkret ins Auge.

Die Währungshüter um Notenbankchef Andrew Bailey entschieden am Donnerstag zwar, den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,1 Prozent zu belassen. Doch signalisierten sie zugleich, dass eine Erhöhung "in den kommenden Monaten" nötig werden könnte. Voraussetzung ist, dass sich die Konjunktur und insbesondere der Arbeitsmarkt wie von der Bank of England (BoE) erwartet entwickeln.

"Jetzt heißt es wohl: aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sagte LBBW-Analyst Elmar Völker. Denn die BoE habe zumindest ihr bisher deutlichstes Signal gegeben, dass eine Anpassung des Leitzinses in Kürze bevorstehe - andernfalls würde das Erreichen des Inflationsziels mittelfristig in Gefahr geraten.

Die Teuerungsrate ist mit zuletzt 3,1 Prozent weit über das Ziel der Notenbank hinausgeschossen, die einen Wert von zwei Prozent anstrebt. Ihren Höhepunkt dürfte die Inflation laut der nun aktualisierten BoE-Prognose im zweiten Quartal 2022 mit 4,8 Prozent erreichen.

Notenbankchef Bailey wollte sich auf der Pressekonferenz nicht darauf festlegen, ob die Zinsen bereits auf der Dezember-Sitzung steigen würden. Mit der Formulierung "in kommenden Monaten" sei die "Zeit von nun an" gemeint. Die Währungshüter hätten sich den Zinsentscheid nicht leicht gemacht, der eine knappe Entscheidung gewesen sei. Das Votum gegen eine Erhöhung fiel im geldpolitischen Ausschuss mit sieben zu zwei Stimmen.

NACHRICHT AN DIE MÄRKTE

Der unverändert lockere geldpolitische Kurs in Großbritannien hat Pfund-Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Die britische Devise fiel unmittelbar nach der Zinsentscheidung der Notenbank um bis zu ein Prozent auf 1,3544 Dollar. Eine weniger expansive Ausrichtung der Geldpolitik der Bank of England sei perspektivisch auf jeden Fall angebracht, sagte NordLB-Analyst Tobias Basse. Allerdings habe die Mehrheit der Entscheidungsträger im geldpolitischen Ausschuss der BoE den Märkten mit ihrem Zögern auch eine Nachricht senden wollen. Diese laute: "Bitte erwartet nicht zu viel Aktivität von uns." An den Märkten war bereits über einen Doppelschlag bei den Zinsen spekuliert worden, der im November und Dezember jeweils eine Straffung gebracht hätte.

FOKUS AUF DEN ARBEITSMARKT

Investoren hatten für diesen Donnerstag eigentlich mit einer Zinsanhebung von im Schnitt fünfzehn Basispunkten gerechnet. Die Währungshüter wiesen nun daraufhin, dass sie zunächst die Lage am Arbeitsmarkt nach der unlängst ausgelaufenen Kurzarbeiter-Regelung sondieren wollten, bevor eine Straffung der Geldpolitik anstehe. Die Regelung, die der deutschen ähnelt, war am 30. September ausgelaufen. Das Statistikamt schätzt, dass Ende September noch zwischen 900.000 und 1,4 Millionen Beschäftigte davon Gebrauch gemacht haben, davon bis zu 700.000 in Vollzeit. "Es ist nicht zu erwarten, dass die Arbeitslosigkeit auf kurze Sicht substanziell ansteigen wird", sagte Bailey. Doch bleibe ein hohes Maß an Unsicherheit.

Sollten die Währungshüter die Zügel bald anziehen, würden sie damit im Kreis der großen Notenbanken weltweit vorangehen: Weder die US-Notenbank noch die Europäische Zentralbank haben bislang eine Erhöhung in unmittelbarer Zukunft auf dem Schirm.

Laut Bailey steigt die Gefahr, dass die Inflationserwartungen stärker nach oben gehen, wenn die Teuerung länger über dem Zielwert der Notenbank verharrt. Die Notenbank gehe zwar nur davon aus, dass der Preisauftrieb vorübergehend sei. Die Energiepreise seien schwankungsanfällig, doch dürften sie nicht dauerhaft erhöht bleiben.

Angeheizt werden die Preise unter anderem durch die Erholung nach dem kräftigen Konjunktureinbruch in der Corona-Krise und durch Lieferengpässe. Diese setzen der Wirtschaft immer stärker zu. Die Währungshüter entschieden nun, am Volumen ihres laufenden Wertpapier-Kaufprogramms von 895 Milliarden Pfund (gut eine Billion Euro) zur Stützung der Konjunktur festzuhalten.

Die US-Notenbank hatte am Vorabend den Startschuss für ein Herunterfahren ihres noch größeren Wertpapierprogramms gegeben. Dieser Beschluss gilt als Voraussetzung dafür, dass die Zinsen auch in den USA steigen könnten, womit an den Finanzmärkten jedoch erst für Mitte 2022 gerechnet wird.

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