Wann platzt die Rentenblase?

J.P. Morgan Asset Management · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Anlageblasen hat es an den Finanzmärkten immer schon gegeben. Sie fanden rollierend bei Edelmetallen, Immobilien oder am Aktienmarkt, z.B. in Japan oder am Neuen Markt, statt.

Jedoch stehen all diese Aufblähungen im Schatten der aktuellen Mega-Anlageblase am Rentenmarkt. Seit Ende September 1981 ist diese wie ein Luftballon langsam aber sicher aufgeblasen worden. Die Renditen von Staatsanleihen der Industrieländer - siehe 10-jährige US-Staatsanleihen - kennen seitdem im Trend nur die Richtung Süden bzw. die Kurse nur die Richtung Norden. Als Luftpumpe für die internationale Rentenblase fungierte vor allem die US-Notenbank. Deren Präsidenten Volcker, Greenspan und Bernanke haben die Leitzinsen immer weiter gedrückt.

Dem allgemeinen Blasen-Zeitgeist haben sich längst auch die Staatsanleiherenditen der Euro-peripheren Länder angeschlossen. Seit Euro-Einführung sind die aktuellen Renditen von italienischen oder spanischen Staatspapieren niemals niedriger gewesen.

Die Finanzhistorie lehrt leider, dass alle früheren Blasen ohne Ausnahmen geplatzt sind. Denn die Herren der Notenbanken - bis vor kurzem waren es nur Männer - ließen regelmäßig die zuvor von ihnen geschaffenen Blasen durch restriktive geldpolitische Kehrtwenden immer wieder platzen.

Haben die Notenbanker Blasenprobleme, scheitert das westliche Finanzsystem!

In vielen Anlagedepots von Versicherungen, Pensionsfonds und großen Kapitalsammelstellen gibt es ein dramatisches Übergewicht an Staatspapieren. Kein Wunder, sind doch Staatspapiere die größte Anlageklasse. Allein Amerika - das Land der unbegrenzten Schulden-Möglichkeiten - hat Staatspapiere von 18.000 Mrd. US-Dollar im Umlauf. Aber auch Japan, Italien, Frankreich und selbst Deutschland sind schuldentechnisch keine Kinder von Traurigkeit. Und da sind jetzt überall dicke und fette Kursgewinne drauf. Da wird sich der ein oder andere schon einmal die Frage stellen, wie tief die Renditen denn noch fallen können oder was gar passiert, wenn die Notenbanken ihre Hochdruckbetankung ähnlich stoppen wie bei früheren Entblähungen. Anleger würden dann wie bei einer Massenpanik aus Staatsanleihen mit der Konsequenz flüchten: Renditen hoch, Kurse runter und zwar kräftig.

Das Vermögen internationaler Anleger fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Ich denke da vor allem an die Chinesen mit ihren drei Billionen US-Staatspapieren. Haben beim Platzen der Immobilienblase die Dämme des westlichen Finanzsystems geradeso gehalten, würden angesichts des Berstens der Mutter aller Anlageblasen wohl alle Dämme der westlichen Finanzwelt brechen.

Die Anleger würden sich dann wie das Reh beim Anblick des Försters verhalten. Sich verstecken! Verstecken heißt, Liquidität geldmarktnah parken und Risiken konsequent meiden. Wenn eine schuldenabhängige Volkswirtschaft dann frische Schulden machen wollte, kämen sie sich beim Verkaufsversuch neuer Staatschulden wie jemand vor, der einem ITler einen Rechenschieber verkaufen wollte. In punkto Finanzmarkt- und Konjunkturstimmung fielen Aschermittwoch und Karfreitag auf einen Tag. Die westliche Finanzwelt hätte es vermutlich geschafft . Rien ne vas plus!

Ist dies eine reale Bedrohung? Kommt darauf an, was die Notenbanken zukünftig machen. Aber haben Frau Yellen, Herr Kuroda oder Herr Draghi eine Wahl? Nein, wenn sie nicht als Totengräber in die Finanz-Geschichte eingehen wollen. Ich glaube, sie kommen trotz Blasenproblemen am Rentenmarkt nicht mehr aus ihrer geldpolitischen Rettungsnummer heraus. Sonst fliegt ihnen die größte Illusion der Finanzgeschichte, nämlich dass Schulden in der Vergangenheit jemals zurückgezahlt worden sind, um die Ohren.

Dreh Dich nicht um, denn der Zinsklau geht um
Mir behagt diese Abhängigkeit unseres real existierenden Rentensystems vom guten Willen der Notenbanken nicht. Insbesondere Staatspapieren macht dies nicht gerade attraktiv, zumal weitere Handicaps zu Tage treten. Denn warum in eine Anlage investieren, wenn von den Zinsen nach Inflation und Steuern nicht nur Nullkommanix übrig bleibt, sondern der Anleger auch noch drauf zahlen muss.  Immerhin haben Staatspapiere den Vorteil, dass man zumindest nominal keine Verluste macht, weil Anleger bei Fälligkeit 100 Prozent zurückerhalten. Das stimmt natürlich. Oder doch nicht?

IWF - Hättest Du geschwiegen, wärst Du Philosoph geblieben

Immerhin hat der Internationale Währungsfonds (IWF) - also keine Allerwelts-Adresse - zum zweiten Mal innerhalb von 10 Monaten die Mithaftung der Gläubiger von Staatsanleihen ins Spiel gebracht. Auslösende Bedingungen könnten sein, dass Schuldnerländern vom Kapitalmarkt kein Geld mehr erhalten oder die Staatsschulden oberhalb einer bestimmten Obergrenze liegen. Die letzte Bedingung ist ein Gummiparagraph, der bei Bedarf - wenn man dem IWF Böses unterstellt -  zügig gestrickt werden könnte. Fakt ist aber, dass die Schulden der westlichen Welt zu- und nicht abnehmen!

Sollte es irgendwann tatsächlich zu Kuponherabsetzungen, einem Verzicht von Zinszahlungen, Laufzeitverlängerungen oder gar einem Schuldenschnitt kommen - Griechenland lässt grüßen - ist dieser letzte Vorteil von Staatspapieren auch in die ewigen Jagdgründe der Finanzwelt eingegangen.

Der IWF wird wissen, warum er sich bereits zum zweiten Mal mit der Enteignung von Zinssparern beschäftigt. Niemand hat ihn dazu gezwungen.

Ist der Makro-Kosmos der Finanzwelt pfui, muss der Mikrokosmos der Anleger hui sein

Doch all diese Argumente gegen Staatsanleihen scheinen bei deutschen Anlegern kein Gehör zu finden. Im Gegenteil, der Deutschen liebstes Kind ist  nicht das Auto oder Fußball, sondern Zinsvermögen. Denn sie legen ihr Geldvermögen zu etwa 80 Prozent, u.a. in Staatspapieren an. Bis Oberkante Unterlippe sind wir voll mit Zinsvermögen. Soll doch niemand mehr behaupten, wir hätten keinen Humor.

Ich spreche nicht davon, aus dem Klumpenrisiko Zinsvermögen ein Klumpenrisiko Sachvermögen, insbesondere in punkto Aktien, zu machen. Aber über ein Gleichgewicht von 50:50 sollte man zumindest nachdenken. Anlegern, denen Aktien zu teuer sind, kann mit regelmäßigen Ansparplänen geholfen werden.

Die Renten-Blase wird über restriktive Geldpolitik oder Enteignung nicht heute, morgen oder übermorgen platzen. Die beruhigende Musik am Rentenmarkt ist allgegenwärtig. Aber wer weiß schon, was zukünftig passiert? Sollte irgendwann die Musik zu spielen aufhören, sollte man - ähnlich wie beim Spiel Reise nach Jerusalem - schnell einen sicheren Platz ergattern.

Warum sich nicht heute schon eine passende Sitzgelegenheit besorgen. Substanzaktien haben alle Finanzkrisen überlebt. Es spricht nichts dafür, dass es bei einer theoretisch neuen anders laufen wird.

Anleger-Auge sei wachsam!

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