Wenn Draghi was (nicht) sagt

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Wie (über)sensibel die Börse ist bzw. sein kann, zeigt sich besonders beim Thema Geldpolitik. Wenn’s um unsere Währungshüter und ihr (Nichts-)Tun geht, haben alle Börsianer eine Meinung - auch wenn nix passiert. Schon Tage vor Ratssitzungen, Pressekonferenzen und Vorträgen der Notenbanker spekulieren Analysten und Medien, was wohl Neues herauskommen könnte. Nicht selten reagieren die Kurse darauf vorab, oft gibt es danach auch wieder Korrekturen. Für Trader mag das interessant sein. Längerfristig denkende Anleger sollte das aber nur beschäftigen, wenn historische Veränderungen anstehen.

Gestern bei der EZB-Ratstagung stand nix Besonderes auf der Agenda, obwohl es stets genug Experten und „Experten“ gibt, die auf irgendwelche Signale spekulieren, deshalb die Kommuniques immer auch zwischen den Zeilen lesen und bei den Äußerungen von Super-Mario auf die Zwischentöne achten. Online-Medien berichten von Pressekonferenzen in Intervallen mit dem Abstand von wenigen Minuten. Hier drei typische Beispiele, was gestern so verbreitet wurde - inhaltliche Unterschiede nur in Nuancen:

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auf seiner heutigen Sitzung den Leitzins wie erwartet unverändert gelassen. Eine Änderung gab es jedoch: Die Notenbanker um EZB-Chef Mario Draghi verzichteten erstmals auf die Formulierung, dass die Notenbank ihre milliardenschweren Anleihekäufe ausweiten könnte, sollten sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Experten sehen das als erstes Zeichen einer möglichen Wende der Geldpolitik. Laut Draghi gebe es weiterhin größere Unsicherheit bezüglich des weiteren Wachstumspfads. Auch der Fortschritt bei der Inflation sei noch nicht abschließend zu bewerten. Der Sieg sei noch nicht errungen.

Erwartungsgemäß hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen zuletzt unverändert gelassen. Zu den laufenden Wertpapierkäufen hat die EZB ihre Kommunikation leicht verändert und den bisherigen Hinweis auf eine mögliche Ausweitung herausgenommen. Prof. Dr. Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erklärt dazu: „Es ist zu begrüßen, dass die EZB die Kommunikation zu den Anleihekäufen verändert. Hier deutet sich endlich der lange erwartete Einstieg in das Ende der Käufe an. Dieses Signal ist wenige Tage nach der Wahl in Italien besonders hilfreich. Das starke Abschneiden populistischer Parteien bei der italienischen Parlamentswahl hat die Unsicherheit über die ökonomische Erholung des südeuropäischen Landes stark erhöht. Die EZB macht nun deutlich, dass sie keine Geldpolitik für Italien, sondern für die Eurozone macht.“

Die EZB dürfte sich vorsichtig in Richtung einer strafferen Geldpolitik bewegen. Ein nächster Schritt könnte die Ankündigung sein, das Anleihe-Kaufprogramm weiter zurückzufahren, bevor es in der zweiten Jahreshälfte ganz eingestellt werden könnte. Zinserhöhungen könnten 2019 folgen. Unseres Erachtens steht dieser Ansatz im Einklang mit einem Wirtschaftswachstum über dem Trend, einer konstant schrumpfenden Produktionslücke sowie einer Inflation, die langsam in Richtung Zielmarke steigt. Im Ergebnis könnten die Renditen von Staatsanleihen weiter unter Druck geraten, besonders die kurzen Laufzeiten. Das sollte zyklischen Branchen entgegenkommen und Risiko-Assets unterstützen (gemeint sind Aktien).

Dazu mein Hinweis, dass es in der Fachwelt auch Stimmen gibt, die erst für 2019 oder gar 2020 erste Zinsschritte der EZB nach oben erwarten. Das würde unseren Aktienmarkt weiter anstoßen. Wenn Gelassenheit wegen der Börsenperspektiven angesagt ist, meine Freunde, dann durch die Geldpolitik. Jedenfalls bis auf Weiteres. Das Monetäre ist zwar mitentscheidend für die Kursentwicklung, doch solltet Ihr auch die gesamtwirtschaftlichen und politischen Entwicklungen im Auge behalten! Der größte Risikofaktor bleibt die Überraschung. Welche? Falsche Frage.

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