Zinsschraube mit Kontermutter

Holger Scholze · Uhr (aktualisiert: Uhr)

DAX zeigt sich nach „Flash Crash“ vom vorigen Freitag deutlich erholt
Am Freitagnachmittag hatte die Meldung über einen angeblichen Angriff von ukrainischen Truppen auf einen Konvoi russischer Militärfahrzeuge - auf ostukrainischem Boden - an den Finanzmärkten für starke Aufruhr gesorgt und den DAX innerhalb weniger Minuten um mehr als 200 Punkte nach unten geschleudert.
Allein diese Situation zeigte, wie nervös die Investoren auf Meldungen reagieren können, die schwer überprüfbar sind und deshalb zu einer großen Verunsicherung führen. Dass es über das vergangene Wochenende nicht zu der zunächst befürchteten Eskalation des Konflikts in der Ostukraine gekommen ist, half den Kursen an den Aktienmärkten wieder auf die Sprünge. Der DAX zeigte sich bereits am Montag mit 1,7 Prozent deutlich fester und eroberte dabei auch schnell die Marke von 9.200 Zählern zurück. Am Dienstag kletterten die Kurse weiter. Der DAX übertraf auch den Bereich von 9.300 Punkten, ehe am Mittwoch leichte Gewinnmitnahmen einsetzten. Geopolitische Krisenherde unter scharfer Beobachtung
Die Situation im Nahen Osten ist menschlich berührend. Ein Ausweg aus dem ewigen Konflikt scheint nicht in Sicht zu sein. Dennoch müssen sich vor allem Politiker weiterhin für diplomatische Lösungen einsetzen. Gleichwohl hat dieses Thema auf die Ökonomie und damit auch auf die Finanzmärkte keine großen Auswirkungen. Der Konflikt in der Ukraine wird sich wahrscheinlich nur mit viel Geduld entschärfen lassen. Das kann noch mehrere Monate dauern. Die Kluft zwischen den einzelnen Interessen der Beteiligten ist einfach zu groß und deshalb bleibt die Suche nach einem praktikablen Kompromiss besonders schwer. Auch wenn diese und weitere geopolitische Krisenherde von den Börsianern mit größter Aufmerksamkeit und Sensibilität beobachtet werden, rückte im Laufe der aktuellen Woche ein anderes Thema stärker in den Fokus. Es geht um die Diskussionen um eine mögliche Zinserhöhung in den USA und ihre entsprechenden Auswirkungen. Das Geschick der Notenbanker Normalerweise neigen Notenbanker dazu, die Marktteilnehmer nach Bekanntgabe der wichtigsten Eckdaten zum weiteren Kurs ihrer Geldpolitik mit geschickten Formulierungen über die Details ihrer Gedankengänge um Unklaren zu lassen. Dies wiederum führt dann zu gewissen Interpretationsspielräumen, welche die große Zahl der Analysten, Marktbeobachter und Investoren prächtig auszunutzen weiß. Insofern ist der Blick in das Protokoll einer Notenbanksitzung einerseits natürlich recht aufschlussreich, andererseits dann aber auch wieder von einigen Konjunktiven gespickt. Selbige führen dann weltweit zu interessanten Kommentaren mit einem großen Variantenreichtum. Janet Yellen bleibt besonnen und souverän
Die Einsicht in die jüngste Sitzung der US-Notenbank (Fed) vom 29. und 30. Juli brachte dennoch aus meiner Sicht klare Erkenntnisse. Trotz der überraschend kräftigen Erholung am US-Arbeitsmarkt sehen die Entscheidungsträger der Fed vorerst keinen Grund für eine Zinserhöhung. Die meisten Führungsmitglieder wollen offenbar noch so lange abwarten, bis sie sehen, dass sich der Aufschwung solide gefestigt hat. Dies hört sich für Aktienliebhaber natürlich gut an. Die Währungshüter räumen ein, dass die Erholung des Arbeitsmarktes stärker verlief, als sie selbst erwartet hatten. Durch die Verbesserung sei die Lage nun spürbar näher an dem Zustand, den man als normal ansehe. Es ist die Aufgabe der Fed, in den USA für mittelfristig stabile Preise und die Förderung von Vollbeschäftigung zu sorgen. Mit einer Arbeitslosenquote von derzeit 6,2 Prozent ist dieses Ziel jedoch noch nicht unmittelbar in greifbarer Nähe. So sehen die Mitglieder des Gremiums die Ressourcen auf dem Job-Markt bei weitem noch nicht als ausgeschöpft an. Allerdings liebäugeln die Notenbanker damit, dass sich diese Einschätzung schon bald ändern könnte. Damit bereitet die Crew um Janet Yellen die Finanzmärkte also durchaus auf eine maßvolle Zinserhöhung vor. Gleichzeitig wird jedoch klar signalisiert, dass sich alle Entscheidungen an den jeweils aktuellen Entwicklungen der zur Verfügung stehenden Indikatoren orientieren, was ja nun auch wirklich vernünftig ist. Wie in den vergangenen Wochen mehrfach beschrieben, rechne ich jedoch auch auf längere Sicht nicht mit deutlichen Zinsschritten in den USA. Wie allein schon die enttäuschenden Einzelhandelsdaten zeigen, läuft die amerikanische Konjunktur noch lange nicht rund. Und durch die aktuelle Inflationsrate von 2,0 Prozent entsteht auch kein Druck. Deshalb ist es für mich auch eine „Zinsschraube mit Kontermutter“... Welchen Plan hat die Fed?
Die Zinsen bleiben erst einmal auf dem niedrigen Rekord-Niveau von null bis 0,25 Prozent. Allerdings wurde das jüngste Wertpapierkaufprogramm zum Ankurbeln der Wirtschaft zuletzt um weitere zehn auf 25 Milliarden US-Dollar im Monat gekürzt. Ursprünglich waren hier Monat für Monat 85 Milliarden US-Dollar gedruckt worden. Im Oktober soll das Programm nun vollständig auslaufen. Erst danach wird die im Zuge der Finanzkrise auf mehr als 4,5 Billionen Dollar aufgeblähte Bilanz der Fed nicht mehr ausgeweitet. Bemerkenswert ist, dass die Notenbanker nach einem ersten Zinsschritt dazu übergehen wollen, die Einnahmen aus den fälligen Anleihen nicht mehr in neue Papiere zu investieren oder zumindest das Volumen zu reduzieren. So soll die Bilanz allmählich wieder auf ein Normalmaß schrumpfen. Dieser Prozess werde nach den Worten von Fed-Chefin Janet Yellen bis zu acht Jahre dauern. Das große Treffen in Jackson Hole
Ab Donnerstag werden die Börsianer natürlich auch ein großes Interesse an der traditionell hochrangig besetzten Konferenz der wichtigsten Notenbanker der Welt in Jackson Hole (Wyoming) zeigen. Die bedeutendsten Referenten treten dort voraussichtlich am Freitag und Samstag auf. Die Rede von Janet Yellen ist für Freitag, um 16:00 Uhr (MESZ), angekündigt worden. EZB-Chef Mario Draghi tritt voraussichtlich am Freitag, um 20:30 Uhr (MESZ), ans Rednerpult. Fazit: Die Stabilisierung läuft
Die Angstgefühle der Investoren wurden am Freitag, dem 15. August, einem heftigen Stresstest unterzogen. Die Verluste waren massiv. Allerdings rutschte der DAX dabei nicht mehr bis in den Bereich von 8.950 Punkten hinein. Er konnte sich sogar deutlich oberhalb der 9.000er Marke halten. Die Kurserholung in dieser Woche fiel deutlich aus. Somit bestätigten sich auch die Überlegungen in meiner OnVista-Kolumne mit dem Titel „Überverkauft: Viel Schlechtes ist schon drin“ vom 14. August. Wir befinden uns tatsächlich in einer Stabilisierungsphase des DAX oberhalb von 9.000 Punkten. Die Berichtssaison liegt hinter uns. In den kommenden Wochen sollte sich der Boden für die von mir erwartete Herbst-Rallye ausbilden. Dabei könnte der DAX kurzfristig durchaus bereits bis in den Bereich von 9.600 Punkten klettern. Ihr Holger Scholze

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