Zinssenkung: Aktienmärkte bleiben unruhig – Hat die FED nur wichtige Munition verbrannt? Erneute Engpässe an den Repo-Märkten

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Nach dem Ausverkauf der vergangenen Woche bleiben die europäischen Aktienmärkte weiter in einem wechselhaften Zustand.

Nach anfänglichen Verlusten sind die Anleger zwar zunächst in Aktien zurückgekehrt, zwiespältige Gefühle nach der überraschenden, drastischen US-Zinssenkung dämpften ihre Kauflaune allerdings. Dax und EuroStoxx50 legten bis zum Nachmittag  1,3 Prozent auf 12.141 und 1,4 Prozent auf 3422 Punkte zu. „Die Fundamentaldaten der US-Wirtschaft bleiben stark“, hieß es seitens der Fed. „Das Coronavirus birgt jedoch ein sich entwickelndes Risiko für die Wirtschaftstätigkeit.“

Der Versuch der US-Notenbank, die Stimmung zu stabilisieren, sei fehlgeschlagen, sagte Anlagestratege Kerry Craig von der Vermögensverwaltung der US-Bank JPMorgan. „Die Schärfe der Reaktion und der außerplanmäßige Zeitpunkt kann als Zeichen gewertet werden, dass die Fed besorgter ist als gedacht.“ Frank Dixmier, Anleihechef des Vermögensverwalters Allianz Global Investors, bezweifelte, dass Zinssenkungen das richtige Rezept zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie sind. „In der Zwischenzeit verbrennt die Fed Munition, die sie im Falle einer schweren Rezession vielleicht noch benötigt.“

An den Märkten gibt es bereits Spekulationen darüber, dass die Fed in den kommenden Wochen weitere Zinssenkungen vornehmen wird. Die wechselhafte Reaktion der Märkte ist ein Zeichen dafür, dass der gemachte Schritt der Fed bereits erwartet worden war. Viele Experten bemängeln, dass die Fed zwar eine Senkung vorgenommen hat, jedoch auf der kommunikativen Ebene nicht deutlich genug Impulse gesetzt hat. Eine Senkung von 0,25 Prozentpunkten zusammen mit der Versicherung, im Notfall alles zu tun was nötig ist, um die Märkte zu stabilisieren, wäre aus Sicht einiger Marktbeobachter der effektivere Schritt gewesen - ganz im Sinne Draghis, der damals während der Euro-Krise mit seinem „What ever it takes“-Dogma den Kollaps verhindert hatte.

EZB handelt vorerst nicht

Die EZB hält zudem vorerst die Füße still. Sie kam am Dienstagabend zwar zu einer außerordentlichen Telefonkonferenz zusammen, um die Lage zu bewerten, wie Reuters von Insidern erfuhr. Demnach diskutierte der EZB-Rat operative Fragen, eine geldpolitische Antwort sei jedoch nicht auf der Agenda gewesen. Ein Notenbank-Sprecher lehnte am Mittwoch eine Stellungnahme ab. Die nächste reguläre Zinssitzung des EZB-Rats ist für den 12. März in Frankfurt anberaumt. Insidern zufolge arbeiten die Währungshüter daran, spezielle Liquiditätsspritzen für kleinere und mittlere Unternehmen aufzuziehen, um Finanzierungsengpässe zu verhindern.

Effektiver seien derzeit Konjunkturprogramme der Regierungen, sagte Andrew Gillian, Finanzmarkt-Experte beim Vermögensverwalter Janus Henderson. Die Telefonkonferenz der Finanzminister und Zentralbankchefs der sieben größten Industriestaaten (G7) habe zwar bislang kaum mehr als warme Worte gebracht, sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. „Aber das heißt natürlich nicht, dass nichts kommt. Das Virus lässt alle stärker zusammenrücken.“

Repo-Märkte trotz Fed-Injektionen wieder unter Druck

Am Dienstag stieg der Bedarf nach von der Fed ausgegebenen Geld-Spritzen massiv an. Marktakteure forderten von der Fed Laufzeit-Repo-Finanzierungen in Höhe von fast 71 Milliarden US-Dollar oder das Dreieinhalbfache des Maximalangebots von 20 Milliarden US-Dollar, die die Fed seit September 2019 ausgibt. Der Zinssatz für Übernacht-Repo stieg ebenfalls vorübergehend auf 1,80 Prozent, bevor er auf 1,70 Prozent fiel, nachdem die Fed die Zinssenkung angekündigt hatte. Einige Analysten betrachteten die große Nachfrage als Zeichen dafür, dass Banken ihre Liquidität stützen wollen, um sich auf die durch das Virus verursachte Volatilität vorzubereiten.

Eigentlich hatte die Fed seit Beginn des Jahres das Angebot reduziert und wollte die Geld-Spritzen noch weiter herunterfahren, angesichts der weiter wachsenden Unsicherheit dürfte das allerdings schwer werden.

Rendite 10-jähriger US-Bonds auf historischem Tief

Aus Verunsicherung über die Beurteilung des Fed-Coups schichteten Investoren weiteres Geld in als sicher geltende Staatsanleihen um. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen US-Bonds zum ersten Mal überhaupt unter die Marke von einem Prozent. Mit 0,931 Prozent markierten sie den achten Tag in Folge ein Rekordtief. Ihre deutschen Pendants rentierten bei minus 0,630 Prozent und damit nur knapp über ihrem Sechs-Monats-Tief vom Montag. Gleichzeitig blieb der Dollar schwach. Der Euro hielt sich mit 1,1160 Dollar in Reichweite seines Zwei-Monats-Hochs vom Dienstag.

Gold kann Kursgewinne behaupten

Am Rohstoffmarkt behauptete Gold nach dem größten Tagesgewinn seit dreieinhalb Jahren seine jüngsten Gewinne und kostete 1638 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Sollte sich bei Investoren die Einschätzung durchsetzen, dass die Fed ähnlich wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Bank von Japan (BoJ) die geldpolitischen Zügel langfristig locker lassen wird, werde die bisherige Rekordmarke von 1920,30 Dollar über kurz oder lang fallen, prophezeite Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade.

onvista-Redaktion/reuters

Titelfoto: Noska Photo / Shutterstock.com

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