Kutzers Zwischenruf: Die Konjunktur ist nicht schlecht genug

Hermann Kutzer · Uhr

Sie kommen mittlerweile aus (fast) allen Ecken und werden immer lauter – die Appelle an den Staat, der schwächelnden Konjunktur den Rücken zu stärken, bevor sie in eine tiefe Rezession versinkt. Breite Anerkennung findet längst die These, dass diese Aufgabe von den Notenbanken allein nicht zu lösen ist. Doch Berlin zögert. Abgesehen von grundsätzlichen Erwägungen sind den politisch Verantwortlichen die aktuellen Zahlen noch nicht schlecht genug, um mit fiskalischen Maßnahmen einzugreifen. Das hat auch etwas mit der Inflation von Informationen im digitalen Zeitalter zu tun – welcher (meist wöchentliche oder monatliche) Indikator zeigt wirklich, wo es langgeht? Wie sind die Zahlen zu interpretieren?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht trotz der aktuellen Wirtschaftsschwäche keine Notwendigkeit für ein Konjunkturprogramm. Die Lage der Wirtschaft sei derzeit nicht einheitlich schlecht, sagte der CDU-Politiker heute. Während das Handwerk wachse, leide die Exportwirtschaft. Deshalb brauchen wir kein Konjunkturprogramm, meint er, aber wir brauchen mehr Ludwig Erhard. Ja, den könnten wir jetzt gut gebrauchen, Herr Altmaier!

Heute wieder ein typischer Tag für gemischte Lageberichte, die unterm Strich keine Klarheit schaffen. Trotz der schwächelnden Konjunktur hat die Industrie im Euro-Raum ihre Produktion wieder hochgefahren. Aber wie? Die Unternehmen stellten nach zwei Rückgängen in Folge im August 0,4 Prozent mehr her als im Vormonat, wie die Statistikbehörde Eurostat mitteilte. Ökonomen hatten mit einem Plus von 0,3 Prozent gerechnet. Im Juli hatte es ein Minus von 0,4 Prozent gegeben, im Juni war die Produktion sogar um 1,5 Prozent geschrumpft. Wie sehr die Industrie unter den internationalen Handelskonflikten und damit unter dem Schwächeln der Weltwirtschaft leidet, zeigt deutlicher der Blick auf den Vorjahresvergleich: Zum August 2018 drosselten die Unternehmen in Produktion kräftig um 2,8 Prozent. Zum Vorjahresmonat war dies der zehnte Rückgang in Folge.

Dazu der neue Monatsindikator der Wirtschaftsforscher vom Mannheimer ZEW: Die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten haben sich im Oktober weniger als erwartet eingetrübt – er fiel lediglich um 0,3 Punkte auf – 22,8 Zähler; Volkswirte hatten mit einem Rückgang auf – 26,4 Punkte gerechnet. In der aktuellen Oktoberumfrage hat sich die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland um 5,4 Punkte erneut verschlechtert. Der neue Wert für den Lageindikator beträgt minus 25,3 Punkte. Dies ist der niedrigste Wert seit April 2010. Der leichte Rückgang der ZEW-Konjunkturerwartungen sowie des Lageindikators zeigt, dass die Finanzexperten nach wie vor von einer sich weiter verschlechternden Konjunktur ausgehen.

Was will denn unser Wirtschaftsminister? „Wir müssen bereit sein, Bürokratie abzubauen. Wir müssen bereit sein, Steuern zu senken, damit das dann wieder reinvestiert werden kann in die Unternehmen. Vor allem der Mittelstand muss entlastet werden.“ Bereit zu sein, reicht nicht, Herr Altmaier. Do it!

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